Karlsruhe (epd). Deutschland darf einen Ukrainer auch bei einer Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen an sein Heimatland ausliefern. Die Kriegsdienstverweigerung sei kein Auslieferungshindernis, wenn der betreffende Staat völkerrechtswidrig mit Waffengewalt angegriffen wird und der Betroffene deshalb mit der Einziehung zum Militärdienst rechnen muss, entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. (AZ: 4 Ars 11/24)
Im konkreten Fall hatten die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden um die Auslieferung eines nach Deutschland geflohenen Ukrainers ersucht. Dem Mann wurde vorgeworfen, bei einer Blutentnahme in einem ukrainischen Krankenhaus einen Polizeibeamten bedroht und körperlich angegriffen zu haben.
Nachdem der Mann in Auslieferungshaft genommen worden war, wehrte sich dieser gegen seine Rückkehr in die Ukraine mit dem Argument, dass er im Fall einer Auslieferung mit der Einziehung zum Militärdienst rechnen müsse. Er wolle aber keine Menschen töten und verweigere aus Gewissensgründen den Kriegsdienst. Das Kriegsdienstverweigerungsrecht werde ihm in der Ukraine wegen des russischen Angriffs verwehrt.
Das Oberlandesgericht Dresden wollte vom Bundesgerichtshof wissen, ob die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen der Auslieferung entgegensteht, zumal das Grundgesetz das Recht auf Kriegsdienstverweigerung vorsieht. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen kein Auslieferungshindernis darstellt. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gelte nicht uneingeschränkt. Werde ein Staat völkerrechtswidrig mit Waffengewalt angegriffen und deshalb ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht gewährleistet, stehe dies der Auslieferung sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen. Einschränkungen des Kriegsdienstverweigerungsrechts„ seien “bis hin zu dessen Aussetzung in existenziellen Krisen des Staates prinzipiell nicht undenkbar".