Miami liegt im Süden des US-Bundesstaates Florida und verfügt nicht nur über wunderschöne Strände, ein pulsierendes Nachtleben und tropisches Wetter, sondern auch eine mehrsprachige, multikulturelle und internationale Bevölkerung. Im Jahr 2024 bestand die Bevölkerung Miamis zu 54 Prozent aus im Ausland geborenen Einwohner:innen, was mit Abstand der höchste Anteil im Land ist, gefolgt von Queens, New York, mit 47 Prozent im Ausland geborenen Einwohner:innen. Darüber hinaus leben von den insgesamt 5 Millionen eingewanderten Menschen des Bundesstaates 2,8 Millionen allein in Miami. Entgegen dem öffentlichen und politischen Diskurs verfügen 80 Prozent aller Einwander:innen und im Ausland geborenen Personen über einen legalen Aufenthaltsstatus im Land. Nur schätzungsweise 18 Prozent sind undokumentiert.
Dies ist das äußerst vielfältige Umfeld, in dem sich die Kirchen in Miami befinden, wo unsere Geschwister in Christus aus der Karibik, Europa, Asien, Afrika und natürlich Mittel- und Südamerika stammen. Während die Lebendigkeit Miamis in Verbindung mit der Würze der Einwander:innen uns auf Trab hält, bringt das Nebeneinander politischer, sozialer, wirtschaftlicher und spiritueller Landschaften Herausforderungen mit sich, die uns als Leib Christi dazu zwingen, dynamisch zu sein und die Grenzen dessen zu erweitern, was wir tun können und sollten, um die Menschen in materieller und immaterieller Not zu erreichen.
Vielfalt ist mehr als Nationalitäten
Diese überglobalisierte Welt, in der wir leben, gleicht immer mehr einer Serviette, in der ein Wassertropfen in einer Ecke schnell auf die andere Seite übergreifen kann. Die vielen Wassertropfen in der Welt zwingen die Menschen zur Migration, und Einreisehäfen wie Miami heißen diese Bevölkerungsgruppen willkommen. Zur gleichen Zeit, in der wir ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Migration erleben, sinkt in den Vereinigten Staaten die Zahl der Christ:innen und deren Zugehörigkeit zu einer christlichen Gemeinschaft. Dieses Paradoxon stellt eine Chance für die Gemeinden dar, ihre Räume für neue Gesichter mit neuen Erfahrungen zu öffnen.
Angel S. Ortiz ist Jugendleiter in Südflorida und Verwaltungsassistent für die First Spanish Presbyterian Church und die El Cordero Presbyterian Church in Miami, Florida. Er ist überzeugt: Vielfalt muss auch in der Kirche ganz konkret gefördert werden.
Was bedeutet Mission heute? Das ist nicht leicht zu beantworten. Doch mission.de will genau das. Hier kommen Menschen zu Wort, die weltweit in Mission und Ökumene vernetzt und zuhause sind und etwas zu sagen haben. Ein Blog gibt Raum für pointierte Meinungen, aktuelle Themen und Beiträge zu laufenden Diskursen. mission.de ist eine Initiative evangelischer Missionswerke, Verbände und Kirchen unter dem Dach der Evangelischen Mission Weltweit (EMW).
Dennoch dürfen die Kirchen erfahrungsgemäß nicht in den Fehler verfallen, nur dem Etikett nach offen und vielfältig zu sein, nur weil eine Anzahl von X verschiedenen Nationalitäten die Kirchenbänke füllt. Wahre Vielfalt muss die Vielfalt der Ideen, Sprachen, Kulturen und Erfahrungen zum Ausdruck bringen. Als einer der Leiter einer multikulturellen Gemeinde kann ich bestätigen: Nur wenn die Leitungsgremien bewusst auf die Förderung der Vielfalt abzielen, öffnen wir uns ehrlich für die grenzenlosen Ausdrucksformen des Geistes Gottes im Gottesdienst.
Äußere Einheit, innere Spaltung
Miami zeichnet seine Vielfalt aus, Einheit bedeutet das aber nicht. In unserer Stadt gibt es verschiedene Enklaven, die die Vielfalt in verschiedene Bereiche aufteilen. Ob Little Havana, ein historisches Viertel für kubanische und mittelamerikanische Einwander:innen, Little Haiti für unsere haitianischen Geschwister oder Doral für den beispiellosen Zustrom venezolanischer Migrant:innen – diese Enklaven zeigen die Ironie der inneren Spaltung Lateinamerikas. Wenn lateinamerikanische Gruppen mit zunehmenden Spannungen durch andere Gruppen wie weiße US-Bürger:innen oder Afroamerikaner*innen konfrontiert sind, wird nach außen hin Einigkeit demonstriert. Wenn der Konflikt jedoch vorüber ist, kehren die lateinamerikanischen Gruppen zur internen Spaltung zurück, die oft an Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass grenzt.
Welche Aufgabe hat die Kirche in dieser Dynamik? Ein Wort: Versöhnung. Eine Kirche, die nicht immer wieder Räume schafft, in denen schwierige Gespräche und Themen angesprochen werden, wird angesichts der sich ständig verändernden Dynamik in unserer Welt letztlich veraltet sein. Die Förderung von Räumen für soziales Engagement, Workshops für kulturelles Verständnis und Gemeinschaftsaktivitäten dienen als praktische Maßnahmen zur Stärkung der interkulturellen Einheit.
Kurze Erinnerung: Kirche ist Gemeinschaft
Vor allem in westlichen Gesellschaften neigen die Kirchen dazu, sich in einer Unternehmensstruktur zu bewegen und dabei den gemeinschaftlichen Aspekt von Versammlung, Lehre und Gemeinschaft zu vergessen. Ein Mangel an gemeinschaftlicher Intentionalität zersplittert den Leib der Kirche; ein Risiko, das besonders in multikulturellen Kontexten besteht, wo kulturelle Unterschiede und die individualistischen Tendenzen der Gesellschaft diese Herausforderung noch verschärfen.
Damit die Kirche weiterhin als Gemeinschaftszentrum fungieren kann, muss eine Rückkopplungsschleife geschaffen werden, in der die Bedürfnisse der Gemeinschaft klar und direkt zum Ausdruck gebracht werden können. In unserem Kontext sind die vielen Kulturen ein Grund zur Freude und Dankbarkeit, doch gleichzeitig muss die Gemeinschaft als Ganzes, ohne die Wertigkeit irgendeiner Gruppe herabzuwürdigen, Kompromisse eingehen und sich für einen gerechten und harmonischen multikulturellen Ausdruck des Glaubens einsetzen. Das ist leichter gesagt als getan! Leitungsgremien, Pfarrer:innen, Diakon:innen, Verwaltungsangestellte und Kirchenmitglieder müssen gemeinsam die Verantwortung für eine ausgewogene Beteiligung verschiedener kultureller Ausdrucksformen übernehmen, wertende Vorurteile überwinden und die zwischenmenschlichen Beziehungen stärken. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen steht, unabhängig von Hintergrund und Kultur, die Einheit des Volkes Gottes im Dienst und in der Erfüllung seines Auftrags.
Mehr Stimmen hören und einbeziehen
Für diejenigen, die mit den Herausforderungen und Spannungen multikultureller Umgebungen konfrontiert sind, und für diejenigen, die daraus lernen wollen, besteht die wichtigste Lehre darin, unbequeme Gespräche zu motivieren und zu moderieren. Gott hat die wunderbare Vielfalt geschaffen, die wir täglich in den Gesichtern der Migrant:innen sehen. Warum sollten wir ihre Ausdrucksmöglichkeiten und Äußerungen einschränken? Würden wir damit auch Gottes Äußerung einschränken? Wie können wir sicherstellen, dass mehr Stimmen gehört, einbezogen und erhoben werden? Wie können wir Jesus im Angesicht eines*einer jeden Fremden dienen? Auch wenn es unangenehm sein mag, über diese Fragen nachzudenken, haben wir in Miami gerade in diesen unkonventionellen Bereichen unser größtes Wachstum und unsere größte Hinwendung zu Gottes Herrlichkeit erlebt. Das sollte uns als Leib Christi Mut machen.
evangelisch.de dankt der Evangelischen Mission Weltweit und mission.de für die inhaltliche Kooperation.
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