Mit Stimmen der AfD: Mehrheit für Asylpläne der Union im Bundestag

Mit Stimmen der AfD: Mehrheit für Asylpläne der Union im Bundestag
SPD und Grüne sprechen von "Zäsur", die AfD von einem "historischen Moment", Union und FDP sehen es anders: Mit den Stimmen von Rechtsaußen hat der Bundestag am Mittwoch einen Antrag von CDU und CSU für eine Verschärfung der Asylpolitik beschlossen.

Berlin (epd). Mit knapper und durch Stimmen der AfD erreichter Mehrheit hat die Union einen Antrag für eine drastische Verschärfung der Asylpolitik im Bundestag durchgesetzt. Das Parlament nahm am Mittwoch mit 348 Ja-Stimmen gegen 345 Nein-Stimmen ein fünf Punkte umfassendes Papier an, das von der Bundesregierung die Umsetzung unter anderem von dauerhaften Grenzkontrollen, Zurückweisungen von Schutzsuchenden und eine Inhaftnahme vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer verlangt.

FDP und AfD hatten Unterstützung für den Antrag signalisiert. SPD, Grüne und Linke lehnten ihn ab. Es gab zehn Enthaltungen. Abgegeben wurden 703 Stimmen. 733 Abgeordnete hat der Bundestag. Die Union hatte anlässlich einer Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zwei Anträge eingebracht. Der zweite Antrag, der auch mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden und Vorratsdatenspeicherung, erhielt keine Mehrheit.

Scholz hatte in seiner Rede die Anträge der Union als „rechtswidrig“ und „Scheinlösungen“ kritisiert. „Das ist die Antwort der Populisten“, warf Scholz dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) vor. Die Zurückweisung Schutzsuchender an den deutschen Grenzen hält die Bundesregierung nicht für vereinbar mit europäischem Recht. Die Union beruft sich auf anderslautende rechtliche Einschätzungen.

Scholz warb in seiner Regierungserklärung stattdessen dafür, die Einigung der EU-Staaten auf die Reform des europäischen Asylsystems weiterzuverfolgen. Gerade jetzt sei die Einigkeit Europas „wichtiger denn je“, sagte er. Dass die Union bereit sei, für die Durchsetzung ihrer Pläne die Unterstützung der AfD in Kauf zu nehmen, bezeichnete Scholz als „unverzeihlichen Fehler“

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) verteidigte dieses Vorgehen. „Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen“, sagte der Fraktionsvorsitzende. Für Freitag hat die Union die Abstimmung über einen Gesetzentwurf, der Asylrechtsverschärfungen vorsieht, auf die Tagesordnung setzen lassen. Auch er könnte mithilfe der Stimmen der AfD angenommen werden.

Der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck (Grüne) warf der Union einen „Bruch mit der Tradition der Republik“ vor. Es werde nicht irgendeine Sachfrage entschieden, sondern es gehe um die politische Kultur, sagte Habeck. Die Linken-Politikerin Heidi Reichinnek sprach von einem „Dammbruch“.

FDP-Chef Christian Lindner, dessen Fraktion dem Antrag zustimmen wollte, sagte, das Problem sei nicht, dass die AfD zustimme, sondern dass Grüne und SPD dies nicht täten. Man sei bei der Sicherheits- und Migrationspolitik nicht dort, wo man sein müsse.

Nach der Abstimmung sprach SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich von einer „Zäsur“. Die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte, erstmals seien im Bundestag Mehrheiten jenseits der demokratischen Mitte „billigend in Kauf“ genommen worden. Die Sitzung des Bundestags wurde nach Bekanntgabe des Ergebnisses auf Antrag von Mützenich unterbrochen. Man könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sagte er.

Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, sprach dagegen von einem „historischen Moment“. Die Fraktion beklatschte das Abstimmungsergebnis. In der Debatte hatte AfD-Chefin Alice Weidel ihre Zustimmung nochmals bekräftigt. Sie nannte es zwar „verstörend“, dass es in dem Antrag auch kritische Worte zur AfD gibt. Es werde aber die AfD „nicht davon abhalten, das Richtige zu tun und jeder vernünftigen Initiative zuzustimmen“.

Dass Parteien der demokratischen Mitte bereit waren, für Verschärfungen in der Asylpolitik gemeinsam mit der AfD zu stimmen, hatte auch bei zahlreichen Verbänden und Organisationen für Kritik gesorgt. In einem Brandbrief an alle Abgeordneten mit Ausnahme der Parlamentarier der AfD hatten auch die Kirchen protestiert. Die Fraktionen hätten sich mit der Auflösung der Ampel-Koalition darauf verständigt, keine Abstimmungen herbeizuführen, in der die Stimmen der AfD ausschlaggebend seien, heißt es in dem Schreiben, das von den Leitungen der Berliner Büros der Kirchen, Anne Gidion (evangelisch) und Karl Jüsten (katholisch), unterzeichnet wurde.