Berlin (epd). Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hält die Entwicklung der AfD für „erschreckend“. Die Rede von AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel auf dem jüngsten Parteitag habe gezeigt, „dass sie sich längst einer zerstörerischen Ideologie verschrieben hat“. Bei der AfD sehe er „keine Möglichkeit, ein Gespräch mit demokratischen Regeln zu führen“, sagte Schuster dem Berliner „Tagesspiegel“ (Samstag) und bekannte: „Mich nervt, dass ich immer wieder dasselbe sagen muss.“
„Ich habe manchmal das Gefühl, dass das alles ein wenig fruchtlos ist“, erklärte Schuster mit Blick auf die Wahlerfolge der AfD. Gleichwohl sei es für ihn erschreckend, „dass mittlerweile so viele Menschen die Partei wählen“. Zu Optimismus führe „all das nicht unbedingt“. Sollte die AfD irgendwann Regierungsämter übernehmen, „muss auch ich mir ernsthaft die Frage stellen, ob dieses Amt als Präsident des Zentralrats für mich noch denkbar wäre - und ich müsste ein Reisebüro suchen, das One-Way-Tickets anbietet“, erklärte der 70 Jahre alte Arzt, der den Zentralrat seit 2014 leitet.
Mit Blick auf den 80. Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 sagte Schuster, Deutschland habe zwar aus dem Holocaust gelernt, sei jedoch „leider auch dabei zu vergessen“. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand habe er nun den Eindruck, „dass diese Erinnerung nicht nur verblasst, sondern dass sich die Entwicklung ins Gegenteil verkehrt“.
Der Zentralratspräsident forderte, der Umgang mit Antisemitismus müsse bundesweit in die Lehramtsausbildung integriert werden. Schuster verwies in diesem Zusammenhang auf die Universität in seiner Heimatstadt Würzburg, die bei diesem Thema „federführend“ sei. Er zeigte sich erfreut, „dass auch andere Bundesländer Interesse zeigen“.