Buchenwald-Komitee droht mit Boykott von Gedenkfeiern

Buchenwald-Komitee droht mit Boykott von Gedenkfeiern
Zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar gedenken Politik, Gedenkstätten und Kirchen in Thüringen der Opfer des Holocaust. Die Rolle der AfD im Landtag sorgt aber für Empörung beim Komitee von NS-Opfern und deren Angehörigen.

Erfurt (epd). Zum Holocaust-Gedenktag wird in Thüringen mit zahlreichen Veranstaltungen an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald-Mittelbau Dora will am 80. Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz am Montag mit einer Kranzniederlegung im Lagergelände aller Opfer der nationalsozialistischen Konzentrationslager gedenken, teilte ein Stiftungs-Sprecher mit.

Ein ernstes Zerwürfnis zwischen den Überlebenden und deren Angehörigen sowie der Thüringer Landespolitik bahnt sich dagegen vor der geplanten Gedenkstunde im Thüringer Landtag am Mittwoch an. Hintergrund ist die aktuell diskutierte Wahl des AfD-Abgeordneten Jörg Prophet zum Vizepräsidenten des Thüringer Landtags am selben Tag. Im Falle seiner Wahl wolle das „Internationale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos“ künftig nicht mehr an Gedenkstunden des Parlaments teilnehmen, hieß es in einem am Freitag veröffentlichten Aufruf. Diese Wahl wäre ein schwerer Schlag gegen die Würdigung der Opfer des Nationalsozialismus.

Es sei empörend, dass ein bekannter Holocaust-Verharmloser in dieses Amt gewählt werden solle, schreibt Komitee-Präsident Naftali Fürst. Der 92-Jährige rief die Landtagsabgeordneten dazu auf, Schaden für den Freistaat abzuwenden.

Die AfD verfügt im Thüringer Landtag über eine Sperrminorität bei der Besetzung von Richterstellen im Freistaat. Umgekehrt benötigt die in Thüringen als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei 13 Stimmen anderer Parteien, um einen AfD-Kandidaten ins Landtagspräsidium wählen zu lassen. Medienberichten zufolge signalisierte insbesondere die CDU von Ministerpräsident Mario Voigt Gesprächsbereitschaft gegenüber der AfD.

Auch die Jüdische Landesgemeinde Thüringen appellierte in einer eigenen Stellungnahme, die Wahl zu verhindern. Der Charakter der AfD erfordere, sie offensiver mit Argumenten zu bekämpfen, statt ihre Normalisierung zu begünstigen. Die mögliche Wahl eines AfD-Abgeordneten zum Vizepräsidenten des Thüringer Landtags wäre für die Mitglieder der Landesgemeinde schmerzlich und unverständlich, schreibt der Vorsitzende Reinhard Schramm.

Dankbar zeigte sich Schramm für die vielen Aufrufe zum Gedenken von Vereinen, Initiativen und Kommunen an den unterschiedlichsten Orten des Freistaats. So ehrt etwa die Stadt Nordhausen die NS-Opfer mit einer Kranzniederlegung in der ehemaligen Boelcke-Kaserne. Hier war im April 1945 ein Sterbelager für Häftlinge des KZ Mittelbau Dora eingerichtet worden. Auch in Suhl, Gera, Eisenach und Gotha treffen sich Bürger und Politik in stillem Gedenken.

Mit Andachten, Filmvorführungen und Kundgebungen beteiligen sich auch die Kirchen im Freistaat am Holocaust-Gedenktag. So findet bereits am Sonntag in Jena ein Abendgottesdienst in der Stadtkirche zu Ehren der NS-Opfer statt.

Zeitgleich richten die Jüdische Landesgemeinde, das Bistum Erfurt und der Evangelische Kirchenkreis Erfurt im Augustinerkloster einen Versöhnungsgottesdienst aus. Gezeigt wird dabei auch ein modernes Triptychon, das sich mit dem Judenhass des Reformators Martin Luther (1483-1546) auseinandersetzt.