Mehrere Tausend Menschen haben in Berlin für eine ökologische Wende in der Lebensmittelproduktion und faire Erzeugerpreise demonstriert. Anlass war die weltweit größte Landwirtschaftsmesse, die "Internationale Grüne Woche", die derzeit in Berlin stattfindet. An die Adresse einer neuen Bundesregierung gerichtet forderten zahlreiche Rednerinnen und Redner eine bessere Unterstützung bäuerlicher Betriebe bei der Produktion gesunder Lebensmittel, bei einer artgerechten Tierhaltung sowie für Umwelt- und Klimaschutz.
Auch der Berliner Bischof Christian Stäblein hat dafür geworben, mehr auf die Grundlagen des Lebens zu achten. Schöpfung, Ernährung sowie Tiere als Mitgeschöpfe bräuchten inmitten der Klimakrise mehr Beachtung, betonte Stäblein im RBB-Hörfunk. Zugleich erinnerte er an die "katastrophalen Folgen und Begleiterscheinungen" von Trockenheit und Hitze weltweit.
Organisiert wurde die traditionelle "Wir haben es satt"-Demonstration von einem Bündnis aus rund 60 Agrar-, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen. Die Veranstalter sprachen von rund 9.000, die Polizei am Nachmittag von etwa 3.000 Teilnehmern.
Wegen des Übertragungsrisikos der Maul- und Klauenseuche verzichten Landwirte in diesem Jahr auf ihre Traktoren bei der Demonstration. Das Motto der zum 14. Mal stattfindenden Demonstration lautete "Wer profitiert hier eigentlich?". Auf Schildern der Demonstranten stand unter anderem "Kein Schwein braucht Massentierhaltung", "Gemeinwohl vor Konzerninteressen" und "Bauernhöfe statt Agrarindustrie".
Diakonie fordert Umdenken
Antje Hollander von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft forderte auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude von einer künftigen Bundesregierung "eine mutige und weitsichtige Agrarpolitik". "Bestehende Einigungen zum Umbau der Tierhaltung und der Ökologisierung der Agrarpolitik" müssten umgesetzt werden. Für junge Bäuerinnen wie sie müsse es eine langfristige Perspektive geben.
Elke Ronneberger, Bundesvorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, betonte, für die Akzeptanz einer Ernährungswende müssten bei der Debatte um die Höhe der sozialen Existenzsicherung auch ökologische Aspekte mit berücksichtigt werden: "Wenn wir unsere ökologischen Ziele erreichen wollen, braucht es dringend ein Umdenken", sagte Ronneberger.
Ambitionierte Gesetze fehlen
Das Veranstalterbündnis warf der aktuellen Bundesregierung vor, tatenlos dem größten Rückschritt in der Agrarpolitik seit Jahrzehnten zugeschaut zu haben. Dies habe zu einem beschleunigten Klimawandel, dem Verlust von Artenvielfalt und erhöhter Planungsunsicherheit auf den Höfen geführt. Der Umbau der Tierhaltung sei liegen gelassen worden und Konzerninteressen bevorzugt worden.
Es fehlten weiterhin Gesetze, die Ackerland für die Nahrungsmittelproduktion sichern. Außerlandwirtschaftliche Investoren würden die Preise für Äcker und Wiesen ungebremst in die Höhe treiben. Außerdem kritisierten die Organisationen, dass "Megaställe und Düngemittelindustrie" mit klimaschädlichen Gasen zur Klimakrise beitragen, "weil ambitionierte Klimaschutzgesetze fehlen".
Harald Schaum von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt kritisierte hohe Profite der Einzelhandelskonzerne, den Preisdruck bei den Agrarbetrieben und zu geringe Löhne für die Beschäftigten in der Landwirtschaft. Carla Reemtsma von "Fridays for Future" erklärte: "Landwirtschaft braucht Klimaschutz, und deshalb muss die nächste Bundesregierung mit Klimaneutralität bis spätestens 2035 endlich liefern."