Kurz vor seinem 80. Geburtstag am 14. Januar spricht er mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) über seinen Klosteralltag, Dankbarkeit und die Sehnsucht vieler Menschen nach Spiritualität.
epd: Pater Anselm, Sie nehmen sich seit zehn Jahren vor, kürzerzutreten - das klappt nicht so gut, oder?
Anselm Grün: Nein, mit diesem Vorsatz bin ich seit Jahren nicht sonderlich erfolgreich. Ich versuche zwar, längere Anreisen zu Vorträgen zu vermeiden - und ich lehne auch einige Anfragen für neue Bücher oder auch Veranstaltungen ab. Aber letztlich bleibt doch noch sehr viel in meinem Terminkalender hängen. Und seit ich nicht mehr Cellerar der Abtei und damit nicht mehr für den Wirtschaftsbetrieb verantwortlich bin, schreibe ich noch mehr als früher, schließlich habe ich nachmittags öfter einmal keine festen Termine.
Was sind denn Ihre aktuellen Projekte? Woran schreiben Sie, wo stehen Sie demnächst auf der Bühne?
Grün: Zurzeit schreibe ich ein Buch über das Thema Hoffnung - auch Papst Franziskus hat ja das Heilige Jahr" das am 24. Dezember begonnen hat, unter das Motto "Pilger der Hoffnung" gestellt. Ich glaube, dass Hoffnung gerade jetzt, in diesem Moment, ein ganz wichtiges Thema ist, eben weil unsere Zeit nicht allzu sehr von Hoffnung geprägt ist, sondern eher von Skepsis und Angst. Und auf der Bühne stehe ich selten, aber die nächsten Kurse im Gästehaus der Abtei Münsterschwarzach, die ich leite, stehen schon vor der Tür.
Früher sind Sie im VW Golf Ihrer Abtei selbst zu jedem Termin gefahren - schaffen Sie das noch?
Grün: Ich fahre immer noch selbst - aber lange Strecken versuche ich genau deshalb zu vermeiden. Natürlich merke ich mein Alter. Entgegenkommende Autos blenden mich nachts mittlerweile mehr als früher. Ich fühle mich aber grundsätzlich fit, erst neulich bin ich mehrere Stunden am Stück nach Hause gefahren. Ich mache auch nicht bewusst Sport. Ich gehe am Sonntagnachmittag gerne mal spazieren und im Urlaub auch wandern. Die gleichmäßige Lebensführung des Klosteralltags ist für Körper und Geist ganz gut.
Wie genau sieht denn so ein Klosteralltag beim Bestseller-Autor Anselm Grün aus?
Grün: Ich stehe morgens um halb fünf auf - um fünf Uhr ist Chorgebet, anschließend ziehe ich mich für eine halbe Stunde zur Schweigemeditation in mein Zimmer zurück. Um 6.30 Uhr ist Eucharistiefeier, dann Frühstück zusammen mit den Brüdern der Abtei. Bevor ich danach in die Verwaltung gehe, um dort ein paar Dinge zu erledigen, lese ich etwa eine halbe Stunde. Manchmal schreibe ich schon vor dem Mittagessen und meinem kurzen Mittagsschlaf etwas, aber die meiste Schreibarbeit passiert inzwischen nachmittags.
Sie sind Mönch, Sie sind Theologe: Wie sehr befassen Sie sich mit Ihrer eigenen Endlichkeit?
Grün: Zunächst einmal bin ich sehr dankbar für mein bisheriges Leben und dass ich nach wie vor so gesund bin. Ich bin mir sehr darüber im Klaren, dass das keine Selbstverständlichkeit ist und dass sich das mit 80 Jahren auch schnell ändern kann. Aber ich wäre auch bereit zu gehen, wenn Gott es so will. Ich sehe mein Alter nicht als Begrenzung für irgendetwas - ich arbeite, solange ich Lust dazu habe. Ich versuche aber auch in mich hineinzuhören: Was soll ich noch weitermachen, womit soll ich lieber aufhören und loslassen?
Während die Zahl der Kirchenmitglieder zurückgeht, boomt Spiritualität. Wie geht das zusammen?
Grün: So richtig neu ist dieser Gegensatz nicht, er wird nur inzwischen deutlicher sichtbar. Viele Menschen haben ein Bedürfnis nach Spiritualität, aber nicht nach Kirche. Denn mit "normalen" kirchlichen Angeboten wie Gottesdiensten können sie wenig anfangen. Ich erlebe in unseren Führungskursen sehr oft Menschen, die sagen, sie hätten nichts mit Kirche und Glaube am Hut, aber dann lassen sie sich trotzdem auch auf Gebetszeiten und Gottesdienste ein. Tief in jedem steckt eine Offenheit und Neugier dafür.
Dann seien Sie doch mal Coach für die Kirchen: Was muss anders gemacht werden?
Grün: Ein großes Problem ist inzwischen die mangelnde Glaubwürdigkeit: Kirche sollte nicht so viel moralisieren und immer nur fordern von den Menschen, gerade wenn sie diese Ansprüche als Institution oft selbst nicht erfüllen kann. Wir sollten den Menschen Angebote machen, die ihnen helfen, sie begleiten bei den Fragen des Lebens, nach dem Sinn des Lebens. Am besten wäre es, wenn Kirche das nicht nur noch in den Extremsituationen des Lebens wie Trauer und Tod macht, sondern als kontinuierliche Lebensbegleitung.
Wie werden Sie denn Ihren 80. Geburtstag feiern? Kommen Gäste?
Grün: Der 14. Januar ist ein Dienstag - das wird sicher eher unspektakulär. In der Verwaltung gibt es Geburtstagskaffee, und schon am Vorabend gibt es im Speisesaal der Abtei eine kleine Feier mit verlängertem Abendessen. Am 18. Januar findet dann ein Symposium statt und abends eine Konzertlesung zu meinem Geburtstag mit den Liedermachern Clemens Bittlinger, Johannes Matthias Roth und Matthias Gahr. Darauf freue ich mich sehr. Und natürlich freue ich mich darüber, dass meine fünf noch lebenden Geschwister samt Familien zu Besuch kommen.