Terrorismusforscher: Amokfahrer war vermutlich psychisch krank

Terrorismusforscher: Amokfahrer war vermutlich psychisch krank

Hamburg (epd). Aus Sicht des Terrorismusforschers Peter Neumann war der Amokfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt vermutlich psychisch krank. „Ich bin zwar kein Psychiater, aber aus meiner Sicht deutet vieles darauf hin. Er hatte Wahnvorstellungen und fühlte sich verfolgt“, sagte Neumann dem „Spiegel“ in einem am Montag online veröffentlichten Interview. Der Mann habe nicht verstanden, „warum ihm 2016 die Ausreise drohte, aber gleichzeitig die - seiner Meinung nach - falschen Flüchtlinge aus islamisch geprägten Ländern in Deutschland aufgenommen wurden“.

„Seinen Frust projizierte er auf die deutschen Behörden. Bis zu der Wahnvorstellung, Deutschland wolle Europa islamisieren“, sagte Neumann, Professor für Security Studies am King's College London. Am Freitagabend war ein 50 Jahre alter Arzt, der seit 2006 in Sachsen-Anhalt lebt und aus Saudi-Arabien stammt, ungebremst mit einem Auto durch eine Budengasse auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gefahren. Fünf Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt. Der Mann war in den sozialen Netzwerken als aggressiver Islamkritiker und AfD-Sympathisant aufgefallen. Der Magdeburger Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens nannte am Samstag „Unzufriedenheit über den Umgang mit saudi-arabischen Flüchtlingen in Deutschland“ als mutmaßlichen Hintergrund der Tat.

Neumann sagte dem „Spiegel“, die meisten Einzeltäter fielen wie auch der Attentäter von Magdeburg schon vor ihrem Anschlag öffentlich auf. „99 Prozent von ihnen werden ihre Drohungen aber wahrscheinlich nie in die Tat umsetzen“, sagte der Terrorismusforscher und fragte: „Wie also erkennen wir das eine Prozent, das tatsächlich gefährlich ist?“ Darauf habe noch niemand eine gute Antwort gefunden. „Ein Teil der Lösung ist möglicherweise Technologie. Ein weiterer Teil ist, dass die Sicherheitsbehörden die richtigen Leute einstellen, zum Beispiel mehr Psychologinnen und Psychologen“, sagte Neumann. Die Briten machten das bereits, Deutschland sollte das aus seiner Sicht auch tun: „Irgendwo muss man ja anfangen.“

Unverständnis äußerte Neumann darüber, dass der Amokfahrer vermutlich eine ungesicherte Zufahrt zum Markt nutzte, die nach Angaben der Stadt Magdeburg als Rettungsgasse diente: „Wenn eine Zufahrt ungeschützt bleibt, nutzen alle anderen Betonpoller nichts. Dabei gäbe es auch für Rettungsgassen Lösungen - etwa ein Auto, das die Zufahrt blockiert und im Notfall weggefahren wird.“