Köln, Nürnberg (epd). Nach der Einführung des Bürgergeldes haben Menschen nach den Worten des Wirtschaftswissenschaftlers Enzo Weber nicht massenweise ihre Jobs aufgegeben, um Leistungen vom Staat zu erhalten. „Das waren noch nie so wenige wie im Moment“, sagte der Forschungsbereichsleiter des Instituts für Arbeitsmarktforschung der Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag im WDR5-„Morgenecho“. Wenn Menschen aber erst einmal arbeitslos seien, dauere es allerdings seit Einführung des Bürgergeldes länger, bis sie wieder herauskämen. Daran hätten sowohl Wirtschaftsabschwung als auch Bürgergeld einen Anteil, unterstrich Weber.
Mit der Einführung des Bürgergeldes seien die Regeln weniger strikt geworden, betonte der Wirtschaftswissenschaftler. Die wesentliche Abschwächung der Sanktionen gehe aber auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück. Dieses hatte 2019 Kürzungen beim Vorgängermodell Hartz IV von mehr als 30 Prozent für unzulässig erklärt.
„Sanktionen führen zu mehr Jobaufnahmen, aber Sanktionen haben auch eine ungewollte Wirkung“, erläuterte Weber. „Wenn man den Druck nämlich zu weit erhöht, dann verlieren Menschen das Vertrauen, dann wenden sie sich ab oder dann werden sie einfach gedrückt in wenig nachhaltige Jobs, aus denen sie dann bald auch wieder zurück sind.“ Es komme bei Sanktionen auf das richtige Maß an. Es müsse auch die Möglichkeit geben, Sanktionen wieder rückwirkend aufzuheben.
Zudem kritisierte er den Fokus in der politischen Debatte auf die geringe Zahl der sogenannten Totalverweigerer. Wer Bürgergeld bekomme, sei nicht zwingend arbeitslos, sondern habe möglicherweise viele Kinder im Haushalt oder einen nicht ausreichenden Lohn.
Rund 5,6 Millionen Menschen beziehen Bürgergeld, darunter 1,5 Millionen Kinder. Von den vier Millionen Erwerbsfähigen sind 20 Prozent erwerbstätige Aufstocker, weitere 40 Prozent stehen dem Arbeitsmarkt nur eingeschränkt zur Verfügung, weil sie krank sind, Kinder haben, Angehörige pflegen oder in der Ausbildung sind.