Frankfurt a.M. (epd). Vor den Beratungen des Rechtsausschusses im Bundestag sprechen sich drei Mitglieder des Deutschen Ethikrates gegen eine Parlamentsentscheidung über eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts noch vor der Neuwahl des Parlaments aus. „Auf den letzten Metern einer Wahlperiode in legislativem Hauruckverfahren eine gesellschaftlich so kontroverse, verfassungsrechtlich so sensible und in ihren faktischen Auswirkungen so ungewisse Regelung durchzudrücken, leistet auch den Apologeten des Wandels keinen Dienst“, schreiben Winfried Hardinghaus, Frauke Rostalski und Gregor Thüsing in einem online erschienen Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Der Rechtsausschuss des Bundestages kommt am Mittwoch zusammen.
Über einen Gruppenantrag von Abgeordneten verschiedener Fraktionen zur Legalisierung von Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche war am 5. Dezember im Plenum des Bundestages in erster Lesung beraten worden. Dem Entwurf zufolge sollen Abtreibungen nicht mehr im Strafrechtsparagrafen 218 geregelt werden. Die Beratungspflicht für Frauen wird beibehalten, die Bedenkzeit von drei Tagen zwischen Beratung und Eingriff soll entfallen. Die Kosten eines Abbruchs sollen die Krankenkassen übernehmen.
Von den Beratungen im Rechtsausschuss hängt ab, ob der Bundestag abschließend über den Entwurf abstimmen wird. Dann könnte dieser noch vor der für den 23. Februar geplanten Neuwahl Gesetz werden.
Der Mediziner Hardinghaus, die Juristin Rostalski und der Jurist Thüsing kritisieren den Zeitplan im Verfahren, aber auch den Gruppenantrag in seinem Inhalt. Während das Bundesverfassungsgericht Abtreibungen an eine „unzumutbare Ausnahmelage“ für die Frau knüpfe, sehe der Entwurf eine „Freigabe für einen ganzen Zeitraum“ vor. Das sehen die Autorin und die beiden Autoren des Gastbeitrages als Widerspruch dazu, dass der Staat verpflichtet ist, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen.
Die drei Ethikratsmitglieder konstatieren eine Emotionalisierung des Themas. „Es ist nicht zu erwarten, dass der aktuelle Vorschlag zu einer Befriedung beiträgt“, schreiben sie und fordern: „Gerade eine so relevante Entscheidung wie die Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs sollte nicht übers Knie gebrochen werden.“ Gute Lösungen bräuchten Zeit, für einen echten gesellschaftlichen Dialog unter angemessenen Bedingungen.
In Deutschland werden Abtreibungen in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft derzeit nicht bestraft, wenn das vorgeschriebene Verfahren mit einer Beratung eingehalten wird. Sie sind aber rechtswidrig, weshalb die Kosten nicht übernommen werden und die Zahl der Praxen, die Abbrüche vornehmen, seit Jahren zurückgeht. Der Abtreibungskompromiss geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück, wonach der Staat den Schutz des ungeborenen Lebens ebenso zu beachten hat wie das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren.