Es gibt hohe Reformerwartungen an die Kirchen. Positiv ist: Mehr als drei Viertel aller evangelischen Kirchenmitglieder finden, dass die Reformen ihrer Kirche in die richtige Richtung gehen. Die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung ist raus und analysiert Fragen wie: Welche Erwartungen gibt es heute an Kirche und würde weniger Kirchensteuer zu weniger Austritten führen?
Die Ergebnisse der Studie sind spannend. Herausgekommen ist zum Beispiel, dass über alle Konfessionen hinweg eine große Zustimmung zur ökumenischen Orientierung und Zusammenarbeit zwischen den Kirchen herrscht. Außerdem erwarten sowohl Kirchenmitglieder als auch Konfessionslose von der Kirche ein soziales Engagement, das über den Bereich des Religiösen hinausgeht.
Religiosität in Deutschland nimmt weiter ab
Kirchliche und allgemeine Religiosität in Deutschland nehmen aber offenbar immer weiter ab. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass ein Schwund kirchennaher Religiosität durch eine Zunahme kirchenferner Religiosität ausgeglichen werde, heißt es in der Studie.
Eine hohe Religiosität würden sich nur 13 Prozent der Bevölkerung zuschreiben, bestätigte die neue Auswertung bereits bekannte Zahlen: "Dabei handelt es sich weit überwiegend um Kirchenmitglieder." Allerdings seien auch unter den Kirchenmitgliedern "die Nicht-Religiösen die häufigste Kategorie".
Die Vorstellung, dass die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft exklusiv dem von dieser Gemeinschaft historisch überlieferten und schriftlich festgehaltenen Glauben anhängen, komme "aus einer fernen Vergangenheit". Weit häufiger als ein Glaube ohne Kirchenmitgliedschaft ("believing without belonging") sei heute eine Mitgliedschaft ohne Glaube ("belonging without believing").
Kirchenaustritte führten daher fast ausschließlich in die Konfessionslosigkeit hinein, ihnen folgten so gut wie keine Beitritte in andere Religionsgemeinschaften, hieß es weiter: "Bei keiner einzigen Religionsgemeinschaft gibt es netto ein quantitativ ins Gewicht fallendes Wachstum durch Übertritte. Nur die Kategorie der Konfessionslosen wächst, und zwar dramatisch."
Der Band heißt mit vollem Titel "Wie hältst du’s mit der Kirche. Zur Relevanz von Religion und Kirche in der pluralen Gesellschaft". Auf 700 Seiten diskutieren 35 Autor:innen in 36 Kapiteln detailliert die Befunde der für die Gesamtbevölkerung Deutschlands repräsentativen Studie. Erste Ergebnisse und Kernaussagen der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung wurden bereits Ende 2023 in Ulm auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorgestellt. Die EKD führt seit 1972 alle zehn Jahre diese breit angelegte Untersuchung durch, um ein möglichst umfassendes Bild kirchlicher Wirklichkeit zu erhalten. Erstmals hatte sich die katholische Deutsche Bischofskonferenz daran beteiligt.
Der gesamte Band ist ab dem 10. Dezember unter kmu.ekd.de frei verfügbar. Herausgeber sind das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover und die Katholische Arbeitsstelle für missionarische Pastoral in Erfurt.