Berlin (epd). Grüne und SPD haben im Bundestag an die Opposition appelliert, das Gesetz für mehr Frauenhausplätze noch vor den für Ende Februar geplanten Neuwahlen zu verabschieden. In der am Freitag allein von weiblichen Abgeordneten geführten Debatte zeigten sich alle Seiten schockiert vom Ausmaß der Gewalt gegen Frauen und Mädchen.
Die Union warf Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) vor, wertvolle Zeit vertan zu haben und nun der Opposition die Schuld für das mögliche Scheitern des Gesetzes zuschieben zu wollen. Nach dem Ampel-Aus hat die rot-grüne Regierung keine Mehrheit mehr und ist für das Gesetz auf die Zustimmung der Union abgewiesen.
Paus appellierte an die Opposition: „Lassen Sie uns das vorliegende Gewalthilfegesetz beschließen.“ Es werde die Zahl der Frauenhausplätze deutlich erhöhen. „Das Gesetz wird Leben retten“, sagte die Grünen-Politikerin. Auf die Änderungswünsche der Opposition ging sie aber nicht ein.
Dem Entwurf von Paus zufolge soll von 2030 an ein individueller Rechtsanspruch auf Beratung, Hilfe und Schutz eingeführt werden. Umsetzen müssen ihn die Bundesländer. Von 2027 an will der Bund bis 2036 mit 2,6 Milliarden Euro in die Finanzierung einsteigen. Die Länder sollen verpflichtet werden, ein ausreichendes Angebot an Schutzplätzen und Beratungsstellen bereitzuhalten. Für Frauen sollen die Hilfen künftig kostenlos sein. Heute müssen sie in den meisten Bundesländern noch Zuzahlungen leisten.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, sagte zum Auftakt, allein während der Dauer der Debatte würden statistisch gesehen 23 weitere Frauen Opfer von Gewalt. Sie würden geschlagen, missbraucht, psychisch gequält oder sogar getötet. „Das alles erleben Frauen und Mädchen in diesem Land“, sagte Haßelmann. Der Staat sei in der Verantwortung, den Frauen Schutz zu bieten. „Das sollten wir jetzt entscheiden“, appellierte auch Haßelmann an die Opposition.
Ähnlich äußerten sich Rednerinnen aus der SPD-Fraktion. Die frauenpolitische Sprecherin Leni Breymaier appellierte an die Fachpolitikerinnen in den Fraktionen, ernsthaft auf eine Einigung hinzuarbeiten. Sie wies eindringlich darauf hin, dass unter der Gewalt gegen Mütter auch deren Kinder zu leiden haben.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Dorothee Bär (CSU), zeigte sich gesprächsbereit, warf Frauenministerin Paus aber vor, jahrelang nicht gehandelt zu haben und viel zu spät auf die Opposition zugegangen zu sein. Bärs Fraktionskollegin und frauenpolitische Sprecherin Silvia Breher (CDU) erklärte, die Union habe ein Gesamtkonzept gegen Gewalt an Frauen vorgelegt, das weitergehe als das Gewalthilfegesetz der Koalition.
Darin fordert die Union etwa die elektronische Fußfessel für Gewalttäter, denen es verboten ist, sich ihren ehemaligen Partnerinnen wieder zu nähern. Entsprechende Gesetzesänderungen hatte auch die Ampel-Koalition vor. Ex-Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat sie aber nicht rechtzeitig auf den Weg gebracht. Breher verwies darauf, dass Paus zudem noch nicht die Zustimmung der Bundesländer habe, die die Frauenhausplätze ausbauen müssen. „Wenn dieses Gesetz nicht zustande kommt, dann liegt es ausschließlich an Ihnen“, sagte sie an die Adresse von Paus und die Fraktionen von SPD und Grünen.
Die AfD-Abgeordnete Nicole Höchst bezeichnete die Einbringung eines Gesetzes so kurz vor Neuwahlen als „eine Verhöhnung der Opfer von Gewalt“. Jahrelang sei nichts passiert, sagte sie. Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Bauer, forderte mehr Prävention und Täterarbeit und warnte vor der wachsenden Gefahr durch digitale Gewalt gegen Frauen. Die FDP hat dazu einen Antrag vorgelegt.
Die Gewalt gegen Frauen nimmt weiter zu. Im vergangenen Jahr stiegen im Vergleich zu 2022 die registrierten Sexualstraftaten um 6,2 Prozent und Fälle häuslicher Gewalt um 5,6 Prozent. Die Behörden registrierten 938 Tötungsversuche, 360 Frauen wurden umgebracht. In Frauenhäusern und Schutzwohnungen suchten im vergangenen Jahr rund 14.200 Frauen mit 16.000 Kindern Zuflucht. Etwa genau so viele mussten wegen Platzmangels abgewiesen werden. Bundesweit gibt es rund 400 Frauenhäuser, außerdem Schutzwohnungen und etwa 600 Beratungsstellen.