Beratung für bedrohte Wissenschaftler verzeichnet großen Zulauf

Beratung für bedrohte Wissenschaftler verzeichnet großen Zulauf
In Zeiten wachsender Polarisierung stehen nicht nur Politiker im Fokus von Beleidigungen und Angriffen. Auch gegen Wissenschaftler richtet sich unsachliche Kritik. In solchen Fällen leistet eine spezialisierte Anlaufstelle Hilfe.

Berlin (epd). Die nationale Anlaufstelle bei Angriffen und unsachlichen Konflikten in der Wissenschaftskommunikation, Scicomm-Support, hat in den ersten 18 Monaten ihres Bestehens 60 Forschende beraten. In 26 Fällen habe es eine intensive Betreuung mit mehr als zehn Kontakten gegeben, teilte die Einrichtung am Mittwoch in Berlin in ihrer ersten Bilanz mit. In Einzelfällen seien bis zu knapp 80 Kontakte nötig gewesen. Viele Anfeindungen zögen rechtliche Schritte nach sich.

Scicomm-Support bietet den Angaben zufolge seit Juni vergangenen Jahres Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bundesweit Hilfe bei Anfeindungen an. Betroffene erhielten psychologische und juristische Hilfe und würden bei der Entwicklung von Kommunikationsstrategien unterstützt, hieß es. Die meisten Bedrohungen richteten sich gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Sozial-, Verhaltens- und Geisteswissenschaften. Besonders betroffen seien Frauen. Unter den 60 bislang beratenden Forschenden seien 38 Frauen gewesen.

Die Anlaufstelle sei als Reaktion auf eine spürbar angestiegene Wissenschaftsfeindlichkeit gegründet worden, hieß es. Weitere Gründe seien eine Zunahme von Hassrede und weiteren Formen von Anfeindungen gegenüber Forschenden und wissenschaftlichen Einrichtungen, die Wissenschaftskommunikation betreiben. Wissenschaftsfeindlichkeit sei keine konstruktive Kritik an wissenschaftlichen Ergebnissen oder Methoden, sondern äußere sich in Hassrede, persönlichen Angriffen, Verleumdungen und sogar Drohungen bis hin zu tätlichen Angriffen gegen Einzelpersonen.

Seit der Gründung hätten 475 Personen an Workshops und Trainings teilgenommen, hieß es weiter. Die Scicomm-Support-Internetseite sei rund 30.000 Mal aufgerufen, der Hilfsleitfaden der Beratungsstelle knapp 2.400 Mal heruntergeladen worden. Die Anlaufstelle wurde vom Bundesverband Hochschulkommunikation und Wissenschaft im Dialog initiiert. Partnerinnen sind die Hochschulrektorenkonferenz und die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG.

Julia Wandt vom Bundesverband Hochschulkommunikation sagte bei der Vorstellung der Bilanz, bei den Beratungen ginge es um verbale Drohungen bis hin zu Todesdrohungen und tätlichen Angriffen. Beratungsanfragen gebe es aus fast allen Fachdisziplinen bis hin zur katholischen Theologie. Zu Angriffen komme es etwa bei Themen wie Klimawandel, Gender und Forschung mit Tierversuchen. Es sei wichtig, dass sich die Hochschulen in Fällen von Bedrohungen hinter die Wissenschaftler stellen, betonte Wandt.

Kristin Küter von Scicomm-Support betonte, die Angriffe seien meist politisch motiviert. Ziel sei, bestimmte Meinungen aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen.

Den meisten Bedarf an Beratungen verzeichnete Scicomm-Support bislang in Berlin und Nordrhein-Westfalen. Die 22 ehrenamtlichen Beraterinnen und Berater betreuen die Anrufer den Angaben zufolge teils über mehrere Monate. Derzeit bereitet sich die Anlaufstelle darauf vor, ab dem 1. Mai selbstständig als gemeinnützige Einrichtung tätig zu sein. Vor dem Bruch der Ampel-Koalition in Berlin habe es Chancen auf eine Förderung aus dem Bundeshaushalt gegeben, hieß es.