Bremen (epd). Die Bremer Innenbehörde hat in der Nacht zu Dienstag vergeblich versucht, ein Kirchenasyl in der Bremer Neustadt zu beenden. Der leitende Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche, Bernd Kuschnerus, appellierte an Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), zum bisherigen Verfahren zurückzukehren: „Das Kirchenasyl ist und bleibt ein wichtiger, unverletzlicher Schutzraum in besonderen Härtefällen.“ Mäurer verteidigte den Polizeieinsatz und kritisierte die Kirche scharf.
In der Nacht zum Dienstag hatten Polizeikräfte versucht, das Kirchenasyl im Zion-Gemeindezentrum aufzulösen, um einen 25-jährigen Somalier abzuschieben. Rund hundert Bürgerinnen und Bürger hätten dies unter Glockengeläut friedlich verhindert, sagte der Gemeindepastor Thomas Lieberum dem Evangelischen Pressedienst (epd). Einige von ihnen waren nach Angaben der Innenbehörde vermummt. Zuerst hatte „buten un binnen Online“ von Radio Bremen über den Vorfall berichtet. Der Pastor sprach von einem „Tabubruch“.
Dass so viele Menschen durch ihren zivilen Widerstand das Asyl geschützt haben, sei „ein wichtiges Zeichen, dass es in Bremen keine Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal geflüchteter Menschen gibt“, sagte Kuschnerus: „Als Kirche können wir die Flüchtlingsthematik insgesamt nicht lösen und Kirchenasyl ist kein rechtsfreier Raum. Aber wir haben in Deutschland ein Asylrecht und wir wollen, dass das eingehalten wird.“
Innensenator Mäurer verurteilte den Widerstand gegen die Polizei: Mit der Aktion sei gegen eine gültige Vereinbarung von 2015 zwischen Staat und Kirche verstoßen worden, wonach der Staat ein Kirchenasyl nach positiver Härtefallprüfung akzeptiert. In diesem Fall sei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) jedoch nach erneuter Prüfung bei seiner Rechtsauffassung geblieben, dass dem Somalier in Finnland nichts passieren werde.
„Erkennt das Bamf die Einwände nicht an, muss der Betroffene das Kirchenasyl verlassen. Geschieht das nicht, stellt die Kirche unseren Rechtsstaat grundsätzlich infrage“, betonte der SPD-Politiker. „Dass die Kirchengemeinde nach erfolgreicher Verhinderung auch noch mitten in der Nacht die Glocken läutete, ist an Zynismus nicht zu übertreffen und sicherlich auch nicht im Sinne der meisten Bremerinnen und Bremer.“
Dem widersprach Lars Ackermann vom Bremer Verein Zuflucht, der die Kirchenasylfälle vorab prüft. Dass ein Kirchenasyl beendet werden muss, wenn das Bamf eine Ablehnung ausspricht, stehe nicht in der Vereinbarung von 2015. Das Bamf habe dies einseitig geändert. Ferner habe der Somalier eindrücklich von „Pushbacks“ an der russisch-finnischen Grenze berichtet. Mehrfach sei er von beiden Seiten unter Schüssen in das jeweils andere Land getrieben worden. Pushbacks seien illegal und völkerrechtswidrig. Sie allein rechtfertigten schon das Kirchenasyl.
Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren gestiegenen Zahl an Kirchenasylen in Bremen und bundesweit werde sich die Innenministerkonferenz am Mittwoch mit dem Thema beschäftigen, kündigte der Innensenator an. Einem Sprecher der Bremischen Evangelischen Kirche zufolge gibt es in der Hansestadt derzeit zwölf Kirchenasyle. Im laufenden Jahr seien es bisher mehr als hundert gewesen.