Essen (epd). Laut dem IGeL-Report 2024 des Medizinischen Dienstes Bund sind viele ärztliche Zusatzleistungen unnötig oder sogar schädlich. Dennoch geben gesetzlich Versicherte mehr dafür aus als bislang gedacht. Neben dem Medizinischen Dienst fordern der AOK-Bundesverband und die Deutsche Stiftung Patientenschutz Konsequenzen.
Gesetzlich Versicherte zahlen für sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) jährlich insgesamt mindestens 2,4 Milliarden Euro, wie der Medizinische Dienst Bund am Dienstag mitteilte. Bislang war der Dienst von einer bis anderthalb Milliarden Euro jährlich ausgegangen.
Für den IGeL-Report 2024 hatte das Forsa-Institut im Auftrag des Medizinischen Dienstes mehr als 2.000 Versicherte zwischen 18 und 80 Jahren befragt. Der Medizinische Dienst ist der Beratungs- und Begutachtungsdienst für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung.
Es sei davon auszugehen, dass die tatsächlichen Zahlen noch höher liegen, da auch Menschen unter 18 und über 80 Jahren Geld für IGeL ausgäben, hieß es weiter. Die meisten dieser Leistungen seien ohne belegten Nutzen oder sogar nachgewiesen schädlich.
Der IGeL-Report 2024 nimmt 56 Zusatzleistungen in den Blick. Keine davon bewertet der Medizinische Dienst als positiv und nur drei als tendenziell positiv. 30 Zusatzleistungen stuft der Report als negativ oder tendenziell negativ ein, beim Rest sind Nutzen oder Schaden unklar. Wie viele unterschiedliche IGeL Arztpraxen anbieten, ist nicht bekannt.
Die am häufigsten verkauften Leistungen sind den Angaben zufolge der Eierstock- und der Gebärmutter-Ultraschall zur Krebsfrüherkennung. Bei diesen Untersuchungen komme es zu vielen falsch-positiven Ergebnissen, die zu weiteren Eingriffen führen könnten, die Patientinnen schädigten. Außer in der Gynäkologie werde mit IGeL besonders in der Augenheilkunde, Allgemeinmedizin, Orthopädie und Unfallmedizin viel Geld umgesetzt.
Laut dem Report nehmen Frauen IGeL stärker in Anspruch als Männer. 41 Prozent der befragten Frauen gaben an, im vergangenen Jahreszeitraum solche Angebote genutzt zu haben. Bei Männern waren es 22 Prozent.
Nur gut ein Viertel der Befragten gab im Report an, gut informiert über IGeL zu sein. Hingegen antworteten rund zwei Drittel, dass sie fälschlicherweise davon ausgingen, dass diese Zusatzleistungen medizinisch notwendig seien. Der Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund, Stefan Gronemeyer, forderte, Arztpraxen sollten dazu verpflichtet sein, unabhängige und allgemeinverständliche schriftliche Informationen auszulegen, wenn sie IGeL anbieten.
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, kritisierte: „Wenn ein Facharzt seine Zeit mit Schönheitsbehandlungen oder fragwürdigen Vorsorgeuntersuchungen ohne wissenschaftlich belegbaren Nutzen verbringt, fehlen eben Kapazitäten für die vertragsärztliche Versorgung.“ Auch Reimann verlangte eine verbesserte Informationspflicht.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte eine 14-tägige Bedenkzeit zwischen dem IGeL-Angebot eines Arztes und der Erbringung der Leistung. Überrumpeln und Ängsteschüren seien Bestandteile dieses Geschäftsmodells. Daher müssten ähnliche Regelungen wie für Haustürgeschäfte gelten.