Berlin (epd). Die AfD ist nach Einschätzung der bundesweiten Mobilen Beratung zur parlamentarischen Säule eines großen antidemokratischen Netzwerks geworden. Ziel sei der Umbau der politischen Landschaft, sagte Dominik Schumacher vom Bundesverband Mobile Beratung am Dienstag in Berlin. Die Lage sei dramatisch. „Die extreme Rechte ist in der Offensive“, sagte der Vertreter des in Berlin ansässigen Dachverbandes von bundesweit rund 50 mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus.
Die Partei, die im Osten mittlerweile zum Teil stärkste politische Kraft ist, habe auch im Westen ihren Einfluss ausbauen können und fungiere als Triebkraft für die gesamte extreme Rechte, hieß es. In ihrem Windschatten entstünden neue Neonazi-Gruppen, die gewaltbereit auftreten. Rassistische Parolen würden ihr Comeback im Mainstream feiern und rechte Jugendliche dominierten ganze Schulklassen. „Einige unserer Beratungsteams haben bereits im Frühjahr so viele Fälle gemeldet, wie sonst im ganzen Jahr“, sagte Schumacher.
Er kritisierte zudem, dass demokratische Parteien sich Forderungen der AfD zu einer restriktiven Migrations- und Asylpolitik zu eigen gemacht und rechtsextreme Diskurse so in großen Schritten weiter normalisiert hätten: „Das Denk-, Sag- und Machbare hat sich weit nach rechts verschoben.“
Zugleich seien Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen, immer mehr entmutigt und fühlten sich von der Politik im Stich gelassen, betonte Schumacher: „Ihre Forderungen finden politisch kein Gehör, rechte Bedrohungen gehören für viele zum Alltag.“ Viele hätten Angst um ihre eigene Sicherheit und um die Demokratie.
Ohne diese Menschen vor Ort und ihr beharrliches Engagement „könnte die extreme Rechte auf die Überholspur wechseln“, sagte der Rechtsextremismusexperte. Engagierte bräuchten Unterstützung, unter anderem über eine verlässliche finanzielle Förderung: „Die Menschen schaffen das nicht alleine.“
Oliver Decker, der Leiter der Leipziger Autoritarismus-Studie, die alle zwei Jahre die politischen Einstellungen der Bevölkerung untersucht, bestätigte diese Entwicklung. „Die Befunde der Mobilen Beratungsstellen spiegeln sich in unserer Studie wider“, sagte der Rechtsextremismus-Forscher. Demnach hat die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen auch im Westen Deutschlands deutlich zugenommen.
Wie die Mobile Beratung sehe auch die Wissenschaft, dass gerade unter jungen Erwachsenen und Jugendlichen Ressentiments immer mehr akzeptiert werden. „Und Ausländerfeindlichkeit ist die Einstiegsdroge für Rechtsextremismus“, sagte der Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts der Universität Leipzig.
Bei vielen jungen Menschen gebe es in diesen Krisenzeiten den Wunsch nach einem Korsett, nach einem Geländer, sagte Decker: „Diese klassische autoritäre Logik bedient die AfD.“ Ein Korsett zwinge ein, gebe aber auch Halt.