Grünes Gewölbe: Noch immer offene Fragen

Zurückerlangten Juwele aus dem Historischen Grünen Gewölbe
epd-bild/Norbert Millauer
Die zurückerlangten Juwelen aus dem Historischen Grünen Gewölbe der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) im Dresdner Schloss, die bei dem Coup 2019 geraubt wurden.
Fünf Jahre nach Raub
Grünes Gewölbe: Noch immer offene Fragen
Der Einbruch am 25.11.2019 ins Grüne Gewölbe in Dresden war eines der spektakulärsten Kunstdelikte nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Großteil der Beute ist wieder da. Doch auch fünf Jahre nach dem Coup bleiben Fragen offen.

Ein Fenstergitter wird unbemerkt durchtrennt, eine Vitrine mit roher Gewalt eingeschlagen, historischer Schmuck im Versicherungswert von knapp 114 Millionen Euro binnen weniger Minuten gestohlen. Später geht das Fluchtauto in Flammen auf. Was wie ein Drehbuch für einen Kriminalfilm klingt, ist in Dresden unvorstellbare Wirklichkeit geworden. Am 25. November jährt sich der spektakuläre Juwelendiebstahl zum fünften Mal.

Es war ein Schock für die gesamte Kunstwelt: Bei dem Coup drangen zwei Diebe blitzschnell ins angeblich hochgesicherte Historische Grüne Gewölbe im Erdgeschoss des Dresdner Residenzschlosses ein. Im Juwelenzimmer zerstörten sie eine Vitrine mit der Axt und nahmen aus Sachsens Schatzkammer 21 barocke Schmuckstücke mit, darunter auch einen mit Edelsteinen besetzten Degen und den "Sächsischen Weißen", einen 50 Karat schweren Diamanten.

Vor dem Schloss warteten ihre Komplizen, die Flucht gelang, zumindest vorerst. Der Chefermittler der ehemaligen Sonderkommission "Epaulette", Olaf Richter, erinnert sich im Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) für die Reportage "Exakt - Die Story": "Berlin geriet schnell in den Blick." Tatsächlich wurden im Januar 2022, gut drei Jahre nach dem Diebstahl, sechs Mitglieder des Remmo-Clans aus Berlin vor dem Landgericht Dresden angeklagt. Fünf erhielten im Mai 2023 mehrjährige Haft- und Jugendstrafen.

Die Diebe gaben 2022 die meisten Stücke zurück

DNA-Spuren am Fluchtauto, Splitter der Schmuckvitrine und ein herausgetrenntes Teil des Dresdner Schlossgitters hatten zu ihnen geführt. Dass die Urteile - zwischen vier Jahren und vier Monaten und sechs Jahren und drei Monaten Freiheitsentzug - vergleichsweise milde ausfielen, hat mit dem "Weihnachtswunder" zu tun. Denn kurz vor Weihnachten, im Dezember 2022, gaben die Diebe nach Vermittlung ihrer Anwälte die meisten Stücke zurück. Sie stimmten einem Deal zu: Mildere Haftstrafen gegen die Beute.

Bei der Übergabe lag der Großteil des Schmucks in einer Berliner Anwaltskanzlei auf dem Tisch eines Beratungsraums. So jedenfalls sagten es die Ermittler im Prozess aus. Chefermittler Richter trug nach eigenen Angaben den Schmuck im Wert von etwa 50 Millionen Euro in einer banalen Umzugskiste eigenhändig ins Auto. Er und seine Kollegen brachten die Stücke der barocken Garnituren zurück nach Dresden. Doch sie waren beschädigt, Edelsteine herausgebrochen, von dem Degen fehlte die Klinge.

Nun sind die gestohlenen Juwelen seit August wieder im Grünen Gewölbe neben anderen Kostbarkeiten zu sehen: Königlicher Haarschmuck, Hutschmuck und Orden sowie Schuhschnallen und Knöpfe liegen ordentlich nebeneinander aufgereiht. Auf den ersten Blick ist alles wie vorher. Doch die Stücke sind noch nicht wieder restauriert, da nicht alle Verfahren zum Juwelendiebstahl rechtskräftig abgeschlossen sind. Als Beweismittel dürfen sie nicht verändert werden. Für die spätere Restaurierung soll eine internationale Expertenkommission gegründet werden.

Neben der neuen Vitrine im Juwelenzimmer steht ein großer Bildschirm, auf dem Erläuterungen zum Diebstahl zu lesen sind. Die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), Marion Ackermann, sprach im August von "einem besonders schönen Moment". Es sei "ein großes Glück", dass der von sächsischen Juwelieren im 18. Jahrhundert gefertigte Schmuck überhaupt wieder in Dresden sei. Schließlich werde den Statistiken zufolge nur ein geringer Teil von Kunstdiebstählen überhaupt aufgeklärt. Zum Jahrestag betont Ackermann die neu ausgerichtete Sicherheitstechnik für den Museumsort Dresdner Schloss: "Wir sind gut geschützt", sagt sie. Hundertprozentige Sicherheit werde es dennoch nie geben.

Neben der neuen Vitrine im Juwelenzimmer steht ein großer Bildschirm, auf dem Erläuterungen zum Diebstahl zu lesen sind, erklärt die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), Marion Ackermann.

Derweil fehlen drei bedeutende Stücke noch immer. Kunstexperten vermuten, dass sie irgendwo versteckt liegen. Zwischenzeitlich fiel die SKD-Leitung auf einen angeblichen Kunsthändler rein, der Ende 2021 eines der fehlenden Schmuckstücke angeboten hatte. In Antwerpen übergab sie 40.000 Euro für nichts. Der Betrüger wurde später in Dresden verurteilt. Ackermann glaubt daran, dass auch der restliche Schmuck eines Tages zurückkehren wird.
Weitere Fragezeichen aber bleiben-

So ist auch fünf Jahre nach dem Diebstahl unklar, wie die Täter an Insiderinformationen kamen, etwa zu Abläufen der Sicherheitstechnik. Das Einbruchsfenster beispielsweise wurde von den Überwachungs-Scannern nicht erfasst. "Es ist für mich und meine Kollegen schwer vorstellbar, dass eine Familie Remmo vor der Landkarte steht und sagt: Morgen ist Dresden dran", sagt Chefermittler Richter im MDR-Film. Für den Kriminalpolizisten ist klar: "Es muss Insider gegeben haben, die Informationen nach außen getragen haben."