Mannheim (epd). Die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF) verlangt mehr Anlaufstellen für von Gewalt betroffene Frauen. Die rund 400 Frauenhäuser in Deutschland reichten bei weitem nicht aus, sagte Britta Schlichting von der ZIF dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Mannheim. „Wir müssen regelmäßig Frauen abweisen.“ Auf jede Frau im Frauenhaus kämen 2,4 abgewiesene Frauen. Darunter litten vor allem Kinder, die in einem gewaltvollen Zuhause aufwachsen müssten.
Zugleich kritisierte Schlichting bürokratische Hürden für Frauen, die Zuflucht in einem Frauenhaus suchen. Frauen ohne Anspruch auf Sozialleistungen müssten ihren Aufenthalt in der Regel selbst zahlen, was sich viele nicht leisten könnten. Frauen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, die sich von ihrem Partner trennten, liefen Gefahr, abgeschoben zu werden. „Hier muss sich schnell etwas ändern“, forderte Schlichting. Auch nach dem Bruch der Ampelkoalition müsse der Schutz von Frauen, Kindern und queeren Personen vor patriarchaler Gewalt Priorität haben.
Schlichting begrüßte, dass das Bundeskriminalamt (BKA) Anfang dieser Woche erstmals ein Lagebild zu Straftaten und Gewalt gegen Frauen veröffentlicht hat. Allerdings zeigten die Statistiken nur das Hellfeld der bei der Polizei und an Gerichten registrierten Fälle. „Das Dunkelfeld kennen wir nicht“, sagte Schlichting.
Laut BKA erlebten 2023 über 180.000 Frauen häusliche Gewalt, ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 5,6 Prozent. 938 Mädchen und Frauen wurden Opfer von Tötungsversuchen, 360 von ihnen starben. 52.000 Frauen und Mädchen wurden Opfer von Sexualstraftaten. Das waren rund 3.000 Fälle oder 6,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Mehr als die Hälfte von ihnen war jünger als 18 Jahre.
Schlichting führt die zunehmende Gewalt gegen Frauen auf eine in der Gesellschaft wachsende Unsicherheit zurück. Spätestens seit der Corona-Krise sei die Gesellschaft von Unsicherheit geprägt. Das führe zu Stress, und Stress führe zu Gewalt, sagte Schlichting. Zugleich trennten sich viele Frauen aus dieser Unsicherheit heraus nicht vom Partner. Dazu komme eine erstarkende Ideologie gegen Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Geschlechter. Insgesamt festigten sich dadurch patriarchale Strukturen.