Kirsten Fehrs zur Ratsvorsitzenden der EKD gewählt

Kirsten Fehrs
epd-bild/Heike Lyding
Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, ist die neugewählte Ratsvorsitzende der EKD. Die Nordkirche gratuliert Bischöfin Kirsten Fehrs unmittelbar zu ihrer Wahl.
EKD-Synode in Würzburg
Kirsten Fehrs zur Ratsvorsitzenden der EKD gewählt
Kirsten Fehrs ist zur Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt worden. Sie soll in den kommenden drei Jahren die rund 18,6 Millionen deutschen Protestanten repräsentieren.

Bei der Synodentagung in Würzburg erhielt die 63 Jahre alte Hamburger Bischöfin am Dienstag 97 von 130 Stimmen der Mitglieder des Kirchenparlaments sowie der Delegierten der 20 Landeskirchen, die in der Kirchenkonferenz organisiert sind. Es gab 14 Gegenstimmen und 19 Enthaltungen. Als stellvertretender Ratsvorsitzender wurde der 60 Jahre alte sächsische Landesbischof Tobias Bilz zur Wahl vorgeschlagen. Die Abstimmung verzögerte sich zunächst aus technischen Gründen.

Fehrs sagte nach ihrer Wahl, sie wolle sich weiter für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt einsetzen. Maßnahmen, die sich aus der Studie zum Ausmaß von Missbrauch in der evangelischen Kirche ergeben, müssten "einheitlich, konsequent und zugleich empathisch" umgesetzt werden. Mit Blick auf den Mitgliederverlust der Kirche und notwendige Reformen sagte sie: "Die nächsten Jahre werden uns viel abverlangen." Sie wolle "mit Mut und Zuversicht" an Entscheidungen herangehen.

Aus ihrer Sicht muss sich die Kirche verändern. Man müsse Kräfte bündeln und mit weniger Ressourcen auskommen, zugleich sei man aus der biblischen Tradition heraus verpflichtet, sich gesellschaftlich an die Seite der Schwächsten zu stellen, sagte Fehrs am Dienstag vor Journalisten in Würzburg. Fehrs sprach von einer Transformation, in der es vor allem wichtig sei, auf dem eingeschlagenen Weg bei der Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt nicht nachzulassen, wenn man glaubwürdig auftreten wolle. 

Die norddeutsche Theologin hatte das Amt als oberste Repräsentantin der rund 18,6 Millionen deutschen Protestanten vor einem Jahr bereits kommissarisch übernommen, nachdem die westfälische Präses Annette Kurschus im Zusammenhang mit einem Missbrauchsverdacht in ihrem früheren Arbeitsumfeld in Siegen zurückgetreten war. Nun erfolgte die Wahl für drei Jahre. 2027 endet die Amtszeit des 15 Mitglieder zählenden Rates der EKD, dem einer Regierung ähnlichen Leitungsgremium neben Synode und Kirchenkonferenz.

Fehrs ist seit 2011 Bischöfin in Hamburg, ihr Sprengel Hamburg und Lübeck gehört zur evangelischen Nordkirche. Dem Rat der EKD gehört Fehrs seit 2015 an, 2021 wurde sie zur stellvertretenden Ratsvorsitzenden gewählt.

Befangen in der Aufarbeitung von Missbrauch?

Die Wahl von Fehrs zu Ratsvorsitzenden am Dienstag galt als sicher. Jedoch hatte am Montagnachmittag eine unabhängige Anwältin des Publikums den Synodalen in Würzburg Anliegen von Betroffenen sexualisierter Gewalt in der Kirche vorgetragen und dabei auch Vorwürfe gegen die Nordkirche und Fehrs angesprochen. Eine Betroffene aus der Nordkirche wirft der Theologin im Zusammenhang mit der Aufarbeitung ihres Missbrauchsfalls Befangenheit vor.

Hintergrund ist eine von der Betroffenen als "freundschaftlich" bezeichnete Verbindung zwischen Fehrs und einem ehemaligen Pastor einer Hamburger Gemeinde, der von dem Missbrauchsfall in den 1980er Jahren gewusst haben soll. Fehrs leitete die Unterstützungsleistungskommission (ULK) der Nordkirche, die sich mit Fällen von Missbrauch und deren Aufarbeitung befasste. Die Nordkirche und die EKD weisen den Vorwurf der Befangenheit zurück, lassen den Fall jedoch inzwischen extern untersuchen. Die Nordkirche wollte aus rechtlichen Gründen keine näheren Angaben machen. Sie teilte aber mit, es sei unstrittig, dass der Betroffenen Anerkennungsleistungen zustehen.

Ratsmitglied Andreas Barner sagte am Dienstag vor der Wahl von Fehrs, der Rat habe sich die Einschätzung der EKD-Fachstelle Sexualisierte Gewalt zu eigen gemacht, wonach es keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten von Fehrs gebe. Ihn habe "immer wieder ganz besonders beeindruckt", wie sich Fehrs in den vergangenen Jahren bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in evangelischer Kirche und Diakonie engagiert habe.

Auf den Fall ging Fehrs in ihrem Statement nach der Wahl direkt nicht ein. Sie sagte nur, sie habe in der jahrelangen Beschäftigung mit dem Thema gelernt, "in ordentlichen Verfahren zu arbeiten" und "nicht jeden Vorwurf persönlich zu nehmen".

Kind der Küste

Fehrs ist an der schleswig-holsteinischen Westküste in Wesselburen aufgewachsen. Nach ihrem Studium in Hamburg war sie Gemeindepastorin im holsteinischen Hohenwestedt, Bildungsreferentin sowie Personal- und Organisationsentwicklerin. 2006 wurde sie Pröpstin und Hauptpastorin an der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi. Im Juni 2011 wählte die Landessynode sie zur Bischöfin. Ihr Bischofsbezirk Hamburg und Lübeck umfasst neben den beiden Hansestädten auch das Hamburger Umland und den Kreis Herzogtum Lauenburg. Anfang Juni dieses Jahres wurde sie mit 97 Prozent der Stimmen für eine zweite Amtszeit gewählt.

Bundesweit bekannt wurde Fehrs für ihr Engagement gegen sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche. Sie war bis 2020 Sprecherin des EKD-Beauftragtenrates zum Schutz vor sexualisierter Gewalt.
Fehrs ist mit einem Pastor verheiratet. Zu ihren Hobbys zählen Musik und Joggen.

evangelisch.de sagt: Herzlichen Glückwunsch, Frau Fehrs!

Seit der Gründung der EKD 1945 gab es vor Fehrs 14 Ratsvorsitzende, 12 Männer und 2 Frauen. In der DDR gab es fünf Vorsitzende der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen.

Bisherige Frauen und Männer im Ratsvorsitz:
* Theophil Wurm, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, 1945-1949.
* Otto Dibelius, Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, 1949-1961.
* Kurt Scharf, Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, 1961-1967.
* Hermann Dietzfelbinger, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, 1967-1973.
* Helmut Claß, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, 1973-1979.
* Eduard Lohse, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, 1979-1985.
* Martin Kruse, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, 1985-1991.
* Klaus Engelhardt, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Baden, 1991-1997.
* Manfred Kock, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, 1997-2003.
* Wolfgang Huber, Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, 2003-2009.
* Margot Käßmann, Landesbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, 2009-2010.
* Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, 2010-2014.
* Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, 2014-2021.
* Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, 2021-2023
* Kirsten Fehrs, seit 2023 kommissarisch, gewählt 2024
Die Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR:
* 1969-1981: Bischof Albrecht Schönherr, Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg (Region Ost)
* 1981-1982: Bischof Werner Krusche, Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Magdeburg)
* 1982-1986: Landesbischof Johannes Hempel, Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens (Dresden)
* 1986-1990: Landesbischof Werner Leich, Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen (Eisenach)
* 1990 - 1991: Bischof Christoph Demke, Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Magdeburg)