TV-Tipp: "Die Spaltung der Welt"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
Getty Images/iStockphoto/vicnt
11. November, ARD, 22.50 Uhr:
TV-Tipp: "Die Spaltung der Welt"
Weltgeschichte wird gern rund um Persönlichkeiten erzählt, die wahlweise erheblichen Einfluss auf konkrete Entwicklungen hatten oder unmittelbar betroffen waren. Die international koproduzierte Reihe "Die Spaltung der Welt" vereint mit ihrer Mischung aus Spielszenen und kolorierten dokumentarischen Aufnahmen beide Ansätze.

Die international koproduzierte Reihe "Die Spaltung der Welt"  verfolgt mehrere Lebenswege, die sich zwar nicht überschnitten haben, aber zu einer parallelen Erzählung zusammengefügt werden: Die sechs Episoden porträtieren die drei Männer und drei Frauen nicht einzeln, sondern hüpfen innerhalb jeder Folge von einem Erzählstrang zum anderen. Roter Faden sind jedoch nicht die Biografien, sondern die in Korrespondentenberichten, Tagebüchern und Briefen skizzierten Zeitläufte der 23 Jahre zwischen 1939 und 1962. Das lässt die jeweils gut fünfzig Minuten langen Filme allerdings etwas sprunghaft wirken. Da die Polin Olga Chajdas und der Belgier Frank Devos zum Teil unterschiedliche Regiestile pflegen, wirkt auch die Inszenierung etwas uneinheitlich. 

Andererseits sorgt das Konzept natürlich für Abwechslung. Die Kombination der gänzlich unterschiedlichen Personen hat ohnehin einen gewissen Reiz, zumal sie sechs gänzlich völlig verschiedene Facetten verkörpern: In Peenemünde träumt der Physiker Wernher von Braun vom ersten bemannten Weltraumflug, soll aber dem Nationalsozialismus mit einer "Wunderwaffe" zum erhofften Endsieg verhelfen; in Auschwitz kotzt Hedwig Höß, Gattin des KZ-Kommandanten, in einen Eimer, als ihr klar wird, dass ihr Garten diesseits der Lagermauer mit der Asche verbrannter Häftlingsleichen gedüngt wird. Derweil setzt sich die spätere israelische Ministerpräsidentin Golda Meir in Palästina dafür ein, dass sich jüdische Flüchtlinge aus ganz Europa in dem von Briten kontrollierten Gebiet niederlassen dürfen. In Kiew wird der in der Ukraine aufgewachsene Russe Nikita Chruschtschow vom Überfall der Wehrmacht überrascht. Acht Jahre nach der deutschen Kapitulation wird der Bauernsohn zum mächtigsten Mann der Sowjetunion.

Die beiden weiteren Porträts ergänzen die Reihe um ganz andere Perspektiven: Frantz Fanon aus Martinique zieht für Frankreich in den Krieg und wird für seine Tapferkeit gelobt, aber aufs Siegerfoto darf der Schwarze nicht. Als Mitglied der Nationalen Befreiungsfront in Algerien trägt er nach dem Krieg zum Rückzug der Kolonialmächte bei. Im amerikanischen Bennington widersetzt sich Studentin Joan Hinton den Konventionen, macht als Physikerin Karriere und ist schließlich als eine der wenigen Frauen an Robert Oppenheimers "Manhattan-Projekt" beteiligt. Nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki lässt sie die Nuklearphysik hinter sich und wandert nach China aus.

Was die unter der Leitung von Jan Peter entstandenen Drehbücher von anderen Weltkriegsdokumentationen unterscheidet, sind die verblüffenden Parallelen zur Gegenwart: "Palästina, ein Land des Terrors und des Blutvergießens", heißt es in einer britischen Wochenschau aus dem Jahr 1939. Und während es für Joan Hinton völlig klar ist, dass sich die USA in den Krieg einmischen müssen, sind viele ihrer Landsleute der Meinung, dass Europa doch weit weg sei und sie nichts angehe. Der derzeit grassierende Rechtspopulismus ist natürlich nicht mit dem Faschismus jener Jahre zu vergleichen, aber die nationalistischen Bestrebungen klingen ganz ähnlich. Tatsächlich haben neben dem Kalten Krieg auch viele aktuelle Krisen und Konflikte ihre Wurzeln in den Fünfzigerjahren; nicht nur in Palästina und der Ukraine, sondern auch zum Beispiel im Sudan. Der Schwerpunkt der Reihe liegt allerdings auf dem Zweiten Weltkrieg.

Bei allem Respekt für den Aufwand, den die beteiligten Sender betrieben haben: Die Synchronisation der größtenteils an den Originalschauplätzen und mit vielen Einheimischen entstandenen Reihe ist stellenweise richtig schlecht; das schmälert die Qualität der entsprechenden Passagen ganz erheblich. Es passt ohnehin nicht zum Anspruch der Reihe, dass sämtliche Figuren auch als Flüchtlinge in einem fremden Land das gleiche makellose Deutsch sprechen. Eine derart anspruchsvolle Produktion, die zudem ausdrücklich junge Leute ansprechen soll, hätte auch mit Untertiteln funktioniert. Davon abgesehen ist die Reihe aller Ehren wert. Von der Produktionsfirma Looksfilm stammen auch, gleichfalls nach Drehbüchern des mehrfach ausgezeichneten Chefautors, die ähnlich konzipierten Reihen "14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs" (Robert Geisendörfer Preis, 2014) und "Krieg der Träume" (2018). Das "Erste" zeigt heute ab 22.50 Uhr die Folgen eins und zwei, der Rest steht in der Mediathek.