TV-Tipp: "Wolfsland: Schwarzer Spiegel"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
Getty Images/iStockphoto/vicnt
7. November, ARD, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: "Wolfsland: Schwarzer Spiegel"
Nun, da das "dreckige Dutzend" endgültig Geschichte ist, können sich Viola Delbrück und Burkard Schulz endlich wieder dem ganz normalen Irrsinn widmen. Beim sonntätigen Jogging trifft die Kommissarin (Yvonne Catterfeld) erst ihren neuen Freund Canis Lupus, der ihr mittlerweile fast aus der Hand frisst, erlebt dann jedoch einen erheblichen Schock, als sie ihren Kollegen tot am Fuß einer Klippe entdeckt.

Zum Glück erweist sich der kurz drauf eintreffende Partner (Götz Schubert) als quicklebendig; der Tote sieht ihm bloß zum Verwechseln ähnlich. Gäbe es die Gangsterbande noch, wäre die Leiche vermutlich eine Warnung. Dass sie sogar einen "Dienstausweis" auf den Namen "Butsch" dabei hat, ist allerdings seltsam.

Der Mann war Schauspieler, er gehörte zum Ensemble der Freien Bühne Görlitz. Dort wird gerade ein "Mystery Crime"-Stück mit dem Titel "Böses Blut" geprobt, wie Delbrück und Schulz erfahren; darin geht es "um die unscharfen Grenzen zwischen echter Schuld und falschem Verdacht", um toxische Männlichkeit und um Machtmissbrauch. Die beiden Hauptfiguren sind dem Kripoduo nachempfunden, die Autorin durfte mit Erlaubnis von Polizeichef Grimm (Stephan Grossmann) die Akten auswerten.
Das klingt schwer nach Parodie, erst recht im Vergleich zur Thrillerspannung der letzten Episode ("In der Schlinge"), aber auch der sechzehnte "Wolfsland"-Film ist trotz einiger heiterer Momente keine Komödie: Das Thema des Stücks ist auch Thema des Films, wie sich nach und nach zeigt.

Das Drehbuch stammt erneut von den Reihenschöpfern Sönke Lars Neuwöhner und Sven S. Poser, die die Bühnenhandlung auf reizvolle Weise mit dem Krimigeschehen verknüpfen. Schon allein die Idee, Delbrück und Schulz mit zwei Doubeln zu konfrontieren, ist originell. "Jessie" (Bea Brocks) ist eine eher düstere Rolle, aber die Begegnungen Butschs mit seinem Ebenbild sind ziemlich witzig. Jakub Bobak (Thomas Limpinsel) ist die Zweitbesetzung und gilt daher als hochgradig verdächtig, den eigentlichen Hauptdarsteller des Stücks aus dem Weg geräumt zu haben, zumal sich rausstellt, dass die Leiche mit seinem Auto transportiert worden ist. 

Die interessanteste Figur des Films ist jedoch der Regisseur. Stephan Kampwirth verkörpert den Mann recht zwielichtig, was durchaus seine Berechtigung hat, wie sich schließlich zeigt: Melchior Steinberg ist an seinem früheren Arbeitsplatz der Vergewaltigung bezichtigt worden; fälschlicherweise, wie er versichert, auch wenn er einräumt, gewisse Fehler begangen zu haben. Das Stück soll ihm seine Rückkehr auf die großen Bühnen ermöglichen.

Nebenbei erzählen Neuwöhner und Poser von einer jungen Frau, die zu Beginn himmelhoch jauchzend ist, im Verlauf des Films jedoch zusehends dahinwelkt. Fast quälend lang zögert das Drehbuch hinaus, welchen Bezug sie zur Handlung hat. Die Auflösung ist außerordentlich bedrückend, zumal Anouk Elias ihre Rolle anfangs mit geradezu überschäumender Energie versieht, sodass der Kontrast gegen Ende umso trauriger ist. 

Regie führte wieder Ole Zapatka, der nun fünf "Wolfsland"-Episoden am Stück inszeniert hat. "In der Schlinge" hatte sich durch eine außerordentliche Kameraarbeit ausgezeichnet. Auch "Schwarzer Spiegel" ist vortrefflich fotografiert, aber diesmal steht die Bildgestaltung stärker im Dienst der Handlung. Nicht nur wegen der Proben des Stücks, das sich auf Ereignisse aus der siebten Episode ("Kein Entkommen, 2020") bezieht, ist "Schwarzer Spiegel" deutlich dialogreicher als der letzte Film. Zapatka hat daher diesmal auf eine "handgemachte Kameraführung" gesetzt: Kameramann Niv Abootalebi ist mit seinem Arbeitsgerät in vielen Szenen ganz dicht bei den Mitwirkenden; mitunter rückt ihnen die Kamera so dicht auf die Pelle, dass im Bild bloß noch Platz für einen Ohrring ist. Bei Befragungen oder Telefonaten gibt es abrupte Wechsel von der Totalen in die extreme Nahaufnahme. So entsteht der Eindruck, als wolle die Kamera den Beteiligten in den Kopf gucken.

Ähnlich interessant ist die Lichtsetzung: Das Theater wirkt mit seiner bronzefarbenen Illuminierung ungemein behaglich und somit exakt wie jener Rückzugsort vor der Unbill der Welt, von dem viele junge Menschen träumen; bis sie erleben, dass ausgerechnet das vermeintliche Refugium ein Ort des skrupellosen Machtmissbrauchs ist. Eher ein Appendix ist dagegen die telefonische Romanze zwischen Grimm und Delbrücks Mutter, von der vor allem die Tochter nichts erfahren soll; das Liebesgeflüster dient offenbar der Anbahnung eines Konflikts, der die psychisch ohnehin angeschlagen wirkende Kommissarin im nächsten Film vollends aus der Bahn werfen könnte.