Berlin (epd). Die Pläne der Bundesregierung für eine bessere Unterstützung von Opfern politischer Repression in der DDR gehen Fachleuten nicht weit genug. Einhellig kritisierten Sachverständige in einer Anhörung am Mittwoch im Bundestag den Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Die Pläne gingen „weit an dem vorbei, was wir heute brauchen, um Opfer angemessener zu unterstützen“, sagte die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke in Berlin.
Der im Sommer vom Bundeskabinett gebilligte Entwurf sieht unter anderem einen Härtefallfonds für politische Häftlinge vor und will die Entwicklung der Opferrente an die allgemeine Rentenentwicklung anpassen. Die damit verbundene Erhöhung begrüßten in der Anhörung Experten wie der Thüringer Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Peter Wurschi. Sie forderten aber auch vorherige Erhöhung des Ausgangsbetrags. „Wenn man sieht, dass die Opferrente zuletzt 2019 angehoben wurde, die gesetzliche Rente seitdem aber jedes Jahr gestiegen ist, wäre das nur angemessen“, sagte Wurschi dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aktuell beträgt die monatliche Rente 330 Euro. Rund 38.000 Menschen beziehen sie.
Einhellig kritisierten die Sachverständigen in der Anhörung zudem, was in ihren Augen im Entwurf fehlt. Anders als im Koalitionsvertrag versprochen sieht sind keine Erleichterungen bei der Anerkennung gesundheitlicher Schäden vorgesehen, die auf politische Verfolgung zurückzuführen sind. Buschmann verweist auf die Reform des Sozialen Entschädigungsrechts, die in seinen Augen dafür ausreicht, dass die Opfer staatlicher Willkür zu ihrem Recht kommen.
Die Sachverständigen haben daran Zweifel. Nach den bislang vorliegenden Informationen aus der Beratungspraxis habe die Neuregelung nicht zu einer Erleichterung für Betroffene geführt, heißt es in der Stellungnahme von Philipp Mützel, Vorstandsmitglied des Bürgerbüros Berlin. Die Brandenburger Beauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Maria Nooke, sagte, die Reform des Entschädigungsrechts löse nicht das Kernproblem, dass Betroffene die gesundheitliche Schädigung glaubhaft machen müssen. Das sei schwierig, wenn es keine Beweismittel gebe.
Die Sachverständigen schlossen sich mehrheitlich der Forderung der Opferbeauftragten Zupke an, für SED-Opfer eine Regelung aus dem Soldatengesetz zu übernehmen. Damit würde eine gesundheitliche Schädigung nach einem entsprechenden Vorfall automatisch angenommen.
Dafür plädierten auch die eingeladenen Medizinerinnen und Mediziner. Tolou Maslahati von der Berliner Charité, die mit einem Forschungsteam die Gesundheit politisch Inhaftierter untersucht hat, sagte, körperliche und psychische Erkrankungen kämen bei diesen Menschen in statistisch relevanter Weise gehäuft vor. Verglichen mit der Gesamtbevölkerung litten sie dreimal so häufig an Depressionen, doppelt so oft an Angststörungen. Auch körperliche Erkrankungen seien in der Gruppe häufiger.
Sie hoffe sehr auf eine Verbesserung des Gesetzes, sagte Maslahati. Nach der Anhörung wird der Gesetzentwurf weiter im Bundestag beraten und kann noch verändert werden, bevor das Parlament darüber abstimmt.