Tutzing (epd). Experten fordern eine wissenschaftlich standardisierte Aufarbeitung von sexueller Gewalt in Institutionen und eine bessere Bündelung von Wissen. Es lägen viele Einzelstudien zum sexuellen Missbrauch vor, etwa im Bereich der Kirchen, aber es gebe seines Wissens dazu noch keine Metastudie, sagte der Münchner Rechtsanwalt Ulrich Wastl von der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl am Mittwoch bei einer wissenschaftlichen Tagung in der Evangelischen Akademie Tutzing. Eine solche Metastudie würde die Einschätzung und Evaluierung einzelner Studien leichter machen.
Als Beispiele für Einzelstudien nannte er die Aufklärung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Irland und den USA, ab 2010 mit dem Bekanntwerden von Fällen sexuellen Missbrauchs am Canisius-Kolleg auch in Deutschland. Im Jahr 2022 stellte Wastls Kanzlei ein vom Münchner Erzbistum in Auftrag gegebenes Gutachten über Missbrauchsfälle vor. Derzeit wird auch eine entsprechende Studie im Bistum Regensburg erstellt, die 2026 fertig werden solle. „Mich beschleicht das Gefühl, dass wir mit Studien vertröstet werden“, sagte Wastl.
Der Leiter des Forschungsverbundes ForuM, Martin Wazlawik aus Hannover, der die ForuM-Studie im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie koordiniert und im Januar 2024 vorgestellt hatte, plädierte ebenfalls für eine Metastudie. Man müsse untersuchen, wie man mit vorhandenem Wissen über den Themenbereich sexuelle Gewalt umgehe und wie man auch neues Wissen generiere, sagte der Professor für Soziale Arbeit.
Rechtsanwalt Wastl rät Institutionen, sich bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch und bei der Erstellung von Präventionsprojekten juristischen Beistand zu holen. Wenn Gutachten veröffentlicht werden sollen, dann werde immer wieder von verschiedenen Seiten versucht, die Publikation juristisch zu verhindern. Auch der Datenschutz bei der Ermittlung von Tätern und Betroffenen werde gern bemüht, um eine Aufarbeitung zu verhindern, erzählte er aus seiner jahrelangen Arbeit als Gutachter.