Berlin (epd). Immer häufiger setzen Kommunen, Länder und auch der Bund bei der Lösung von kontroversen politischen Prozessen auf sogenannte Bürgerräte. Das zeigt ein am Mittwoch in Berlin vorgestellter Bericht des Fachverbands Mehr Demokratie und des Instituts für Demokratie- und Partizipationsforschung der Universität Wuppertal, der erstmals alle Bürgerräte in Deutschland erfasst hat.
„Nirgends auf der Welt gibt es mehr losbasierte Bürgerräte als bei uns“, sagte der Wuppertaler Partizipationsforscher und Projektleiter Detlef Sack bei der Vorstellung. Dabei werden per Zufallsprinzip Menschen aus allen sozialen Schichten und Gruppen in das Gremium gelost.
Der Bericht erfasst demnach 298 Verfahren seit 1972. Bei den losbasierten Bürgerräten habe es seit 2020/21 eine „Explosion“ gegeben, sagte Sack. Hätten in den Nullerjahren durchschnittlich jährlich sechs Bürgerräte in Deutschland stattgefunden, waren es in den Jahren 2020 bis 2023 fast 30 pro Jahr. 80 Prozent davon seien auf kommunaler Ebene. Dabei gehe es um Themen wie Stadtplanung, Kinder- und Jugend, Infrastruktur, Nachhaltigkeit, Soziales oder Verkehr.
Der Politikwissenschaftler sieht darin ein größeres Bedürfnis nach Demokratiebeteiligung und eine weitere Möglichkeit zur Partizipation, gerade auch angesichts des wachsenden Rechtspopulismus: „Mit Bürgerräten gehen die Menschen nicht gleich wieder alle in die Schützengräben.“
Die Bundesvorstandssprecherin von Mehr Demokratie, Claudine Nierth, betonte, die Bürgerräte hätten sich in der Praxis bewährt. Sie lieferten Antworten und trügen zur Lösung von politischen Konflikten bei.