TV-Tipp: "Ein starkes Team: Verzockt"

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19. Oktober, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Ein starkes Team: Verzockt"
Das Krimireihendebüt von Regisseurin Bogdana Vera Lorenz ist sehr stilsicher inszeniert. Die Bildgestaltung (Henning Jessel) ist von großer Sorgfalt und auch ästhetisch interessant; gerade der Gegensatz zwischen den düsteren Szenen in der Rechtsmedizin und den sachlichen Reviergesprächen ist schlicht, aber wirkungsvoll.

"Auf so eine Idee muss man erst mal kommen": Wenn eine Filmfigur diesen Satz sagt, lässt er sich getrost als Eigenlob des Autors verstehen. Die anerkennende Bemerkung bezieht sich auf ein Schnippchen, das ein Verdächtiger der Polizei schlägt: Sein Haus ist lückenlos überwacht, sämtliche digitalen Bewegungen werden ebenfalls erfasst; und dann wählt er ein Kommunikationsmittel aus der Antike. Diese besondere Form der Kontaktaufnahme ist bei weitem nicht der einzige originelle Einfall des wendungsreichen Drehbuchs von Jürgen Pomorin, der unter dem Pseudonym Leo P. Ard rund die Hälfte der mittlerweile knapp hundert Drehbücher für den ZDF-Dauerbrenner "Ein starkes Team" geschrieben hat. 

Schon der erste Akt von "Verzockt" (Episode Nummer 97) hat mehr Überraschungen zu bieten als viele andere Reihenkrimis in neunzig Minuten, zumal bereits die Gestaltung des Auftakts prägnante Akzente setzt: Die Kamera folgt einer Frau in ein Bürogebäude am Potsdamer Platz. Sie öffnet die Tür der Anwaltskanzlei von Anna Vogt, geht zum Tresor, holt Pass, Flugtickets und Banknotenbündel heraus, dreht sich um und wird niedergeschlagen. Am nächsten Tag wird das nach einem Unfall völlig ausgebrannte Auto von Anna Vogt entdeckt. Die Leiche ist unkenntlich, der Ehemann (Tobias Licht) identifiziert seine Gattin anhand ihres Schmucks.

Spätestens jetzt ahnen Krimifans, was kurz drauf bestätigt wird: Wer ist die Frau? Weshalb musste sie sterben? Wo ist Anna Vogt? Und warum das Täuschungsmanöver? Was nun folgt, ist eine Geschichte, die auf geschickte Weise eine persönliche Betroffenheit mit einem 14 Millionen Euro schweren Geschäft verknüpft: Zur großen Überraschung von Linett Wachow und Otto Garber (Stefanie Stappenbeck, Florian Martens) stellt sich raus, dass der Kollege Klöckner (Matthi Faust) einst mit Anna Vogt verheiratet war. Sie wollte Abenteuer, er wurde bloß Polizist; so endete die Ehe. Weil er weiß, dass sie seit einem Skiunfall ein künstliches Kniegelenk hatte, muss es sich bei der Leiche um jemand anders handeln.

Da Anna seine große Liebe war, ist dies für ihn selbstredend kein Fall wie jeder andere. Aus gutem Grund würde Garber ihn daher lieber raushalten; tatsächlich unterläuft dem bewegten Klöckner später ein typischer Anfängerfehler. Zu diesem Zeitpunkt kennt das Team bereits die Hintergründe des Falls: Gerade rund um Berlin befinden sich einstige sowjetische Kasernen noch heute in russischem Besitz. Die Gebäude sind verfallen, aber als Immobilie haben die Grundstücke einen enormen Wert. Als Anwältin für Miet- und Immobilienrecht hat Anna einen Handel eingefädelt, bei dem offenbar nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. "Geld liebt die Stille", heißt es in einer Mail an sie. Offenbar hat sie sich nicht an diese Devise gehalten. Nun muss sie um ihr Leben fürchten, zumal auch noch der russische Auslandsgeheimdienst mitmischt. 

Wie bei einem Fachwerkhaus versieht Pomorin diese tragenden Teile mit Nebenebenen, die ausnahmslos wichtige Ergänzungen zum Handlungskern beitragen. Dass beispielsweise die sonst gerade gegenüber Garber so aufgeschlossene Rechtsmedizinerin (Eva Sixt), die später zu allem Überfluss auch noch an ihrem Arbeitsplatz überfallen wird, diesmal sehr bedrückt wirkt, gehört ebenso zur Geschichte wie die Auftritte von Sputnik (Jaecki Schwarz): Das Revierfaktotum handelt neuerdings mit billig erworbenem Beluga-Kaviar.

Auch wenn die Dosen niemand haben will: Sein Kontakt zur russischen Botschaft beschert Garber einen feuchtfröhlichen Kneipenabend mit der munteren Ludmilla. Deren Trinkfreudigkeit hat zwar einen teuren Deckel zur Folge, beschert dem Kommissar aber auch einige wertvolle Erkenntnisse. Selbst die traurige Biografie einer Obdachlosen, die nacheinander Job, Mann und Wohnung verloren hat, trägt maßgeblich zur Lösung des Rätsels bei. 

Die einst für einen Kurzfilm ausgezeichnete Regisseurin Bogdana Vera Lorenz ist seither nicht weiter aufgefallen. Das ZDF hat vor geraumer Zeit ihr Langfilmdebüt "Lockdown" (2017) als Kleines Fernsehspiel ausgestrahlt; anschließend hat sie für die ZDF-Serie "Notruf Hafenkante" gedreht. Ihr Krimireihendebüt ist allerdings sehr stilsicher inszeniert.

Die Bildgestaltung (Henning Jessel) ist von großer Sorgfalt und auch ästhetisch interessant; gerade der Gegensatz zwischen den düsteren Szenen in der Rechtsmedizin und den sachlichen Reviergesprächen einerseits sowie den zum Teil überhellen Außenaufnahmen andererseits ist schlicht, aber wirkungsvoll. Für den Rest sorgt die gelungene Ensemble-Leistung, zu der auch Claudia Eisinger in einer wichtigen Nebenrolle ihren Teil beiträgt.