Frankfurt a.M. (epd). Anlässlich der Präsidentenwahl in Tunesien am Sonntag haben über 60 Hilfsorganisationen Menschenrechtsverletzungen gegen Schutzsuchende in dem nordafrikanischen Land angeprangert. Geflüchtete, insbesondere schwarze Menschen, lebten dort unter unmenschlichen Bedingungen oder würden in Nachbarstaaten abgeschoben, in denen ihnen wie in Libyen Folter und Misshandlung drohe, kritisierten die 63 Organisationen am Freitag. Zu ihnen zählen Amnesty International, Human Rights Watch und Seenotrettungsorganisationen wie Sea-Watch und SOS Humanity.
Tunesien verfüge nicht einmal über ein Asylsystem. Zudem sei insgesamt seit Jahren eine alarmierende Verschlechterung der bürgerlichen Freiheiten und Grundrechte zu verzeichnen, erklärten die Organisationen. Dennoch intensiviere die EU ihre Zusammenarbeit mit den tunesischen Behörden und beteilige sich dadurch an den Menschenrechtsverletzungen.
Die EU und Tunesien hatten 2023 eine Absichtserklärung unterzeichnet, wonach das nordafrikanische Land eine Milliarde Euro erhält, unter anderem zur für Grenz- und Migrationskontrolle. Als Gegenleistung soll Tunesien, das eines der wichtigsten Transitländer für Schutzsuchende auf dem Weg nach Europa ist, die Überfahrt von Geflüchteten über das Mittelmeer verhindern.
Dafür richteten die tunesischen Behörden auf EU-Drängen auch eine Such- und Rettungszone im Mittelmeer ein, wo sie die Hoheit über Rettungen haben und die dort aufgegriffenen Menschen an Land bringen müssen. Sie können den Organisationen zufolge nicht mehr nach Europa gebracht werden.
Laut internationalem Recht müssen Menschen, die aus Seenot gerettet werden, an einen sicheren Ort gebracht werden. „Flüchtlinge sind in Tunesien nicht sicher“, erklärt Marie Michel, politische Expertin von SOS Humanity. Menschenrechtsverletzungen in Tunesien gegen Menschen auf der Flucht seien in Hunderten von Fällen dokumentiert worden.
Die EU müsse ihre Unterstützung in Migrationsfragen einstellen und dafür sorgen, dass Tunesien die Vergehen beende, ebenso wie das Vorgehen der Regierung gegen die Zivilbevölkerung. Zudem müsse sie sicherstellen, dass Seenotrettungsorganisationen und Handelsschiffe nicht dazu angewiesen werden, Gerettete in Tunesien an Land zu bringen.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit langem die Zusammenarbeit mit nordafrikanischen Ländern zur Eindämmung der Migration. Auch mit Libyen gibt es ein Abkommen, obwohl das Land erwiesenermaßen Geflüchtete in Lagern festhält, wo Folter, Vergewaltigung und Zwangsarbeit an der Tagesordnung sind.