Hamburg (epd). Nach dem Bruch eines Kirchenasyls in Hamburg haben sich der katholische Erzbischof Stefan Heße und die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, betroffen gezeigt. „Ein Flüchtling, der sich in einer überaus schwierigen Lage befand, wurde abgeschoben. Die befürchteten humanitären Härten, auf die vonseiten der katholischen Kirchengemeinde aufmerksam gemacht wurde, fanden keine Berücksichtigung“, erklärte Heße laut Mitteilung des Erzbistums Hamburg.
Einem 29-jährigen Afghanen war laut Erzbistum seit August in der Pfarrei Heilige Elisabeth in der Gemeinde St. Christophorus (Lohbrügge) Kirchenasyl gewährt worden. Am Montagmorgen erfolgte laut Innenbehörde seine Rücküberstellung aus dem Kirchenasyl per Flugzeug mit dem Ziel Schweden. Das Erzbistum informierte, der Afghane befinde sich seit fast zehn Jahren auf der Flucht. Weil er schwer erkrankt sei, habe ihn die Pfarrei aus humanitären Gründen aufgenommen.
Laut Innenbehörde lebte der Flüchtling nach seiner Ausreise aus Afghanistan seit 2015 zunächst bei Familienangehörigen in Schweden. Er habe in dem Land einen Asylantrag gestellt, dieser sei negativ beschieden worden. In der Folge sei der Afghane im März dieses Jahres nach Deutschland gereist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe den Antrag des Betroffenen, ein Asylverfahren in Deutschland zu führen, als unzulässig abgelehnt. Gemäß Dublin-III-Verordnung erfolge die Prüfung des gestellten Asylantrags sowie der Fluchtgründe stets im zuständigen Mitgliedstaat - in diesem Fall Schweden.
Das Erzbistum Hamburg habe ein Dossier vorgelegt, jedoch sei auch die Prüfung individueller Härten durch das BAMF nach intensiver Durchsicht des Dossiers abschlägig beschieden worden, informierte die Innenbehörde. Die Ausländerbehörde Hamburg als Vollzugsbehörde sei nach Entscheidung des BAMF verpflichtet, die Rücküberstellung organisatorisch durchzuführen, hieß es.
Der Hamburger Erzbischof Heße erklärte: „Das Kirchenasyl ist ein letztes Mittel zur Abwendung unzumutbarer humanitärer Härten. Es geht darum, im Austausch mit den staatlichen Stellen im konkreten Einzelfall eine verantwortbare Lösung zu finden.“ Das Kirchenasyl diene in diesem Sinne auch der rechtsstaatlichen Ordnung. „Umso wichtiger ist es, dass die Behörden die Tradition des Kirchenasyls respektieren.“
Die Hamburger Bischöfin Fehrs sagte, in den vergangenen Wochen habe es bundesweit immer wieder Fälle gegeben, in denen staatliche Behörden das Kirchenasyl gebrochen haben. Sie erklärte: „Als Kirchen werden wir weiter gemeinsam dafür eintreten, dass das Kirchenasyl als letzte Zuflucht im Sinne einer menschenwürdigen Asylpraxis erhalten bleibt.“
Kritik kam auch aus der Hamburger Politik. Aus der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft hieß es, Kirchenasyl habe in Deutschland eine jahrhundertelange Tradition. Die Praxis beruhe auf einem zwischen Kirchen und staatlichen Behörden eng abgestimmten Verfahren, auf dieser Grundlage würden nur ausgewählte Einzelfälle ins Kirchenasyl aufgenommen.
Michael Gwosdz, flucht- und religionspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion: „Vor diesem Hintergrund ist der Bruch des Kirchenasyls völlig unverständlich.“ Carola Ensslen, fluchtpolitische Sprecherin der Bürgerschafts-Linksfraktion, erklärte: „Abschiebungen aus dem Kirchenasyl darf es nicht geben!“ Beide erwarteten von Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), dass das Kirchenasyl in Hamburg respektiert werde.