Berlin (epd). Die Einführung eines Sexkauf-Verbots ist nicht nur in der Politik, sondern auch unter Fachleuten hoch umstritten. In einer Anhörung des Bundestags sprachen sich am Montag in Berlin die Sachverständigen etwa zu gleichen Teilen für und gegen einen Kurswechsel in der Prostitutionspolitik in Deutschland aus. Sie äußerten sich zu einem Antrag der Unions-Fraktion: „Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden - Sexkauf bestrafen“. Darin verlangt sie, dass auch Deutschland das sogenannte „Nordische Modell“ einführt, wonach Freier bestraft werden, Prostituierte aber straffrei bleiben. Schweden war 1999 das erste Land, das diesen Weg ging.
Befürworter eines Sexkaufverbots wie der Duisburger Polizeipräsident Alexander Dierselhuis versprechen sich davon mehr Erfolge im Kampf gegen Zwangsprostitution und Ausbeutung im Milieu. Dierselhuis schilderte den Mitgliedern des Familien- und Frauenausschusses im Bundestag, mit welchen Schwierigkeiten Polizei und Justiz konfrontiert sind. Das zentrale Problem der gegenwärtigen Rechtslage sei, dass die Polizei die Beweise liefern müsse, weil kaum eine der betroffenen Frauen es wage, eine Aussage gegen Zuhälter oder Menschenhändler zu machen, sagte er. Auch von Freiern gebe es keine strafrechtlich verwertbaren Hinweise.
Nach deutschem Recht müssten sich Freier an die Polizei wenden, wenn sie Zwangsprostitution vermuten. Dierselhuis sprach von einem „massiven Vollzugsdefizit“. Heute sei es in der Praxis kaum möglich, zwischen freiwilliger und erzwungener Prostitution zu unterscheiden, sagte er. Erzwungene Prostitution finde auch in legalen Prostitutionsstätten statt. Das Dunkelfeld von Zwang, Gewalt und Ausbeutung sei Teil des sogenannten Hellfeldes der legalen Prostitution, sagte Dierselhuis.
Das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und -arbeiter, der bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel (KOK), die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutsche Städtetag wandten sich gegen ein Sexkauf-Verbot. Käme die Freierbestrafung, würde sich die Prostitution ins Dunkelfeld verlagern, argumentierte Stefanie Kohlmorgen vom Beratungsstellen-Bündnis. Prostituierte könnten sich noch weniger gegen Gewalt wehren, ihren Lohn nicht einklagen, müssten an unsicheren Orten arbeiten und würden in größere Abhängigkeit geraten als heute.
Die Sozialbürgermeisterin von Stuttgart, Alexandra Sußmann (Grüne) erklärte, durch das Prostituiertenschutzgesetz hätten die Kommunen neue Möglichkeiten, Frauen in der Prostitution zu erreichen. In der Corona-Pandemie, als Prostitution verboten war, habe man hingegen nicht helfen können. Sußmann plädierte dafür, die Auswertung des seit 2017 geltenden Gesetzes abzuwarten, die Mitte 2025 erwartet wird.
Mit dem Prostituiertenschutzgesetz hatten Union und SPD in der damaligen Bundesregierung gemeinsam versucht, die Auswüchse auf dem Prostitutions-Markt einzugrenzen. Die Ampel-Koalition verweist auf die Auswertung und lehnt Gesetzesänderungen bis dahin ab. In allen Bundestagsfraktionen gibt es aber auch Befürworterinnen des Nordischen Modells. Die Bundestagsfraktion der Union will mit ihrem Antrag Druck machen. Mit Verweis auf die Missstände in der Prostitution verlangt sie mehr Schutz für die Frauen und zusätzliche Beratungs- und Ausstiegsangebote. In Deutschland ist Prostitution legal, das Betreiben von Prostitutionsstätten ebenfalls.
Ende 2023 waren dem Statistischen Bundesamt zufolge rund 30.600 Prostituierte angemeldet. Vier Fünftel sind Ausländerinnen. Wie viele Menschen tatsächlich in der Prostitution arbeiten, ist nicht bekannt. Schätzungen reichen bis zu 250.000 Personen.