Nach den Wahlen: Wie geht’s politisch weiter?

CDU und AfD Wahlplakate
Hannes P. Albert/dpa (M)
Schon 2020 hat die thüringische CDU wiederholt gemeinsame Sache mit der AfD gemacht. Wie geht es nach den Landtagswahlen weiter?
Landtagswahlen in Ostdeutschland
Nach den Wahlen: Wie geht’s politisch weiter?
Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen müssen sich die Parteien klar entscheiden, welchen Kurs sie gegenüber der AfD fahren wollen. Soll man mit der AfD strategisch zusammenarbeiten oder sie konsequent ablehnen?

Bei den Landtagswahlen am Sonntag hat die AfD Rekordergebnisse erzielt. In Thüringen wurde sie mit Abstand stärkste Kraft. In Sachsen hat zwar die CDU die meisten Stimmen erhalten, aber denkbar knapp mit bloß einem Sitz Vorsprung. In beiden Ländern stuft der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem ein. Die anderen Parteien haben sich gegen eine Koalition mit ihr ausgesprochen. Aber wird das halten, und lässt sich das umsetzen? Ist eine Verweigerung gegenüber der AfD sinnvoll?

Konsequente Weigerung?

Für eine Regierung ohne die AfD wäre eine Zusammenarbeit der Parteien vom konservativen bis zum linken Teil des Spektrums nötig. In Frankreich zeigt sich, wie schwierig die Regierungsbildung ohne die Rechtsextremen sein kann. Außerdem hat die thüringische CDU schon wiederholt gemeinsame Sache mit der AfD gemacht, 2020 bei der Wahl des thüringischen Ministerpräsidenten (der FDP-Politiker war einen Monat lang im Amt) und auch bei anderen Abstimmungen – entgegen dem Unvereinbarkeitsbeschluss von 2018. Undenkbar ist das für die thüringischen CDUler also keineswegs – nur genutzt hat es ihnen wenig.

Schließt man die AfD aus, wird sie sich als Opfer inszenieren. Bürgerinnen und Bürger bestreiten in den Medien immer wieder, die Partei sei extremistisch. Besonders in Thüringen werden viele sagen, die Partei wurde demokratisch gewählt, sogar mit hoher Wahlbeteiligung. Ein Ausschluss der AfD von der Regierung und einflussreichen Ämtern kann den Unmut gegenüber den demokratischen Parteien noch steigern. Doch sollte die AfD an die Regierung kommen, würde man damit eine extremistische Wahlentscheidung offiziell gutheißen, und eine sehr gefährliche Partei würde viel Macht erhalten. Wie soll man hier entscheiden?

Eine demokratische Partei?

Viele, die die AfD nun in öffentlichen Ämtern sehen wollen, sagen: Sie wurde doch demokratisch gewählt. Aber dass die AfD in demokratischen Wahlen sehr viele Stimmen erhielt, macht sie noch längst nicht zu einer demokratischen Partei! Sonst müsste man auch Hitlers NSDAP als demokratische Partei bezeichnen, denn in den drei Reichstagswahlen von 1932 bis 1933 erhielt sie stets mit Abstand die meisten Stimmen. Wie eine Partei offiziell Macht gewinnt und wozu die Partei diese Macht verwenden will, sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Trotz der demokratischen Stimmen ist die AfD eine antidemokratische Partei. Der Verfassungsschutz hat, wenn auch spät, erkannt: Der sächsische und der thüringische Landesverband sind gesichert extremistisch.

Extremismus

Dass die Partei extremistisch ist, wollen ihre Wähler teilweise nicht wahrhaben. Doch dass einflussreiche Kreise in der AfD Deutsche mit Migrationshintergrund diskriminieren wollen, damit sie das Land verlassen, ist bekannt. Die Ausgrenzung von Menschen allein aufgrund von Herkunft oder muslimischer Religionszugehörigkeit gehört vielerorts zum Markenkern der AfD. Teils werben AfDler offen mit ihrer Ablehnung der Rechtsstaatlichkeit (z.B. M. Krah).

Auch abgesehen von den "Remigrationsplänen" ist die AfD zu tief in Gewalt verstrickt. Rechte Gewalt ist gegenwärtig die größte Bedrohung für den sozialen Frieden in Deutschland. Nach dem Mord am CDU-Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019 hatte die CDU erklärt, AfD-Politiker gehören zumindest zu einem sehr ähnlichen politischen Milieu wie die Mörder. Ein Freund von Lübcke, der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand, meint: "Es gibt eine direkte Linie von der Hetze bis zum Mord". Friedrich Merz meint: "Wir haben den Rechtsextremismus jahrelang unterschätzt." Aber nehmen er und seine CDU den Extremismus inzwischen ernst genug?

Rechte Gewalt

Seit 2019 hat sich die rechte Gewalt deutlich gesteigert. Die Polizei hat im ersten Halbjahr 2024 deutschlandweit 519 Übergriffe auf Flüchtlinge und Asylbewerber registriert. Darüber hinaus begingen rechte Gewalttäter in der ersten Jahreshälfte über 9000 politische Straftaten. Das ist ein deutlicher Anstieg verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Diese Straftaten kann man natürlich nicht direkt AfDlern ankreiden. Aber in einer wissenschaftlichen Befragung von 2016 bis 2017 befürwortete ein Fünftel der Interviewten Gewalt gegen Geflüchtete, und etwa 40 Prozent von ihnen gaben an, die AfD zu wählen. Es wäre außerdem blauäugig zu behaupten, dass AfD-Politiker mit ihrer Rhetorik an der Gewalt unbeteiligt sind. Nach dem Attentat von Solingen hat ein AfD-Landtagsabgeordneter aus Hessen gezündelt: In einem Video feuert er sein Gewehr drei Mal in die Luft und ruft indirekt dazu auf, gegen Islamisten selbst zur Waffe zu greifen.

Umfrage

Wird der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gegenüber der AfD in Thüringen halten?

Auswahlmöglichkeiten

Teils wurden auch AfD-Politiker selbst wegen Vergehen verurteilt. Eine Correctiv-Recherche zeigt: Von 48 untersuchten AfD-Politikern wurden 28 "zumindest erstinstanzlich verurteilt, oder es wurden Strafbefehle gegen sie erlassen – 14 davon sind trotzdem noch immer in ihrem politischen Amt tätig." Bei den Vergehen handelt es sich "teils um brutale körperliche Angriffe, teils verbale Gewalt wie Beleidigungen oder Volksverhetzung und indirekte Gewalt wie Beihilfe, Waffenbesitz oder Missbrauch des Gewaltmonopols qua Amt." 

Gegen den gerade wiedergewählten AfD-Abgeordneten des thüringischen Landkreises Sömmerda (T. Czuppon – um zu schweigen von Vergehen etwa seines Landesvorsitzenden) wurde gerade eine Verurteilung zu einer Strafe von 30.000 Euro wegen Verfolgung Unschuldiger in eigener Sache, als Polizist, rechtskräftig. Zuvor hatte er in der Gedenkstätte Buchenwald rechtsextreme Abzeichen zur Schau gestellt. In einem anderen Landesverband solidarisierte sich der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt letztes Jahr mit einem AfD-Kreistagsabgeordneten, der zwei Mal wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden war.

Unvereinbarkeitsbeschlüsse

In Thüringen könnte die CDU eine Koalition mit SPD und BSW eingehen, doch das brächte ihr noch keine Mehrheit ein. Gegenüber der AfD gibt es immerhin einen Unvereinbarkeitsbeschluss – allerdings auch gegenüber der Linken. Mit der müsste der CDU-Landeschef Voigt aber zumindest ein Duldungsabkommen schließen, damit eine CDU-geführte Regierung ihre Vorhaben durchbekommt, auch ohne eigene Mehrheit. Es wäre absurd, wenn die CDU die Zusammenarbeit mit der Linken prinzipiell verweigern würde. Der bisherige Ministerpräsident Ramelow, von der Linken, hat konstruktive, demokratische Arbeit geleistet und genießt hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Um den Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der Linken hat sich die Thüringer CDU zum Glück nicht geschert, als sie verschiedentlich mit Ramelow zusammengearbeitet hat. 

Nun wird es aber noch wichtiger, dass die demokratischen Parteien liefern – und zum Beispiel sicherstellen, dass der Schulunterricht verlässlich stattfindet und der öffentliche Nahverkehr attraktiver wird. Wenn konstruktive Politik nicht gelingt, wird die AfD die anderen Parteien vor sich her treiben, und sie werden bald so unbeliebt sein wie die Ampel auf Bundesebene. Aber nicht nur bei der CDU, sondern auch beim BSW müssen die Reihen gegen die AfD geschlossen bleiben. Auch einzelne Abgeordnete dürfen nicht aus der Reihe tanzen, wenn man weitere Erfolge der Antidemokraten verhindern will. Ihnen wird die AfD immer wieder Angebote machen.

Keine Regierung mit Extremisten

Für eine Regierungsbeteiligung der AfD in Thüringen wird manchmal vorgebracht, ohne die stärkste Fraktion sei keine "stabile" Regierungsarbeit möglich. Das ist falsch. Schwierigkeiten in der bisherigen Minderheitsregierung, unter Ramelows Leitung, stammten u.a. von CDU-Kooperationen mit der AfD. Doch eine "stabile" Regierungsarbeit gemeinsam mit der AfD ist erst recht nicht möglich: Im Gegensatz zu den Rechtsextremisten in Italien und Frankreich, Giorgia Meloni und Marine Le Pen, hat sich Björn Höcke bewusst entschieden, extreme Positionen nicht aufzugeben und politisch gerade nicht Richtung Mitte zu rücken. Die AfD verachtet die CDU, sie will die CDU untergraben und radikale Politik durchsetzen. 

Was sollte man sich auch unter einer "stabilen" Regierungsarbeit mit Extremisten vorstellen? Mit dieser Ekeltruppe darf es keine Kooperation geben. Ein Antinazi-Bündnis muss her. 1933 etwa war Hitlers NSDAP die stärkste Partei im Reichstag, aber sie hatte weder eine absolute Mehrheit noch einen Koalitionspartner. Dann drängte der ehemalige Reichskanzler von Papen den Reichspräsidenten, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Von Papen wollte Hitler entzaubern: "In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht". Es kam anders.