Solingen (epd). Mit einer Trauerfeier und einer anschließenden Kranzniederlegung am Tatort hat Solingen am Sonntag der Opfer des mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlags am 23. August in der Stadt gedacht. Die Tat von Solingen habe das Land „im Innersten“ getroffen, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Trauerrede im Theater und Konzerthaus. „Es trifft uns in unserem Selbstverständnis als Nation, in der die Menschen trotz aller Unterschiede friedlich zusammenleben und zusammenleben wollen.“
Beim Fest zum 650. Solinger Stadtjubiläum vor einer Woche hatte ein Attentäter mit einem Messer drei Menschen getötet und acht verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der inhaftierte 26-jährige Syrer Issa Al H., der Mitglied der islamistischen Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) sein soll.
Der Bundespräsident rief die Menschen dazu auf, trotz der Trauer und der Wut weiter zusammenzustehen. „Terroristische Gewalt will uns als Gesellschaft entzweien. Und mein inständiger Wunsch, gerade an diesem Tag der Trauer, ist: Lassen wir genau das nicht zu!“ An der Trauerfeier nahmen auch Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (alle SPD), NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Solingen, Ilka Werner, und der katholische Stadtdechant Michael Mohr teil.
Anschließend legten der Bundespräsident, NRW-Ministerpräsident Wüst und Oberbürgermeister Kurzbach in Anwesenheit von Angehörigen der Getöteten am Anschlagsort Kränze nieder. Bei der Zeremonie am Fronhof in der Solinger Innenstadt waren auch der Bundeskanzler, Bundestagspräsidentin Bas sowie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) anwesend. Bas würdigte im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern die Leistung der Ersthelfer, die ebenfalls an der Kranzniederlegung und anschließenden Schweigeminute teilnahmen. Sie müssten beim Verarbeiten ihrer Eindrücke unterstützt werden.
Eine Solinger Bürgerin sagte im Gespräch mit Steinmeier, die Stadt habe seit dem rechtsextremistischen Anschlag auf die türkische Familie Genç im Jahr 1994 viel für das interreligiöse und interkulturelle Zusammenleben getan. „Das lassen wir uns nicht nehmen, da machen wir weiter“, sagte sie. Ein Solinger Paar äußert die Sorge, dass rechtsgerichtete Parteien, vor allem die AfD, von der Stimmung nach dem Anschlag profitieren könnten: „Das wollen wir nicht!“
Auf politischer Ebene ging unterdessen am Wochenende die Debatte über die Folgen des Anschlags auf die Asyl- und Migrationspolitik weiter. NRW-Ministerpräsident Wüst bezeichnete den Messerangriff vom 23. August als „Tat des Terrors“ und als „Wendepunkt“. „Wir sind es den Opfern des Anschlags schuldig, mit großer Ernsthaftigkeit daran zu arbeiten, die Ursache des Problems an der Wurzel zu fassen“, sagte der CDU-Politiker bei der Trauerfeier in Solingen. Als Konsequenzen aus der Tat seien „intensive Debatten“ zu führen: über die Asyl- und Einwanderungspolitik, aber auch die Frage, wie man Polizei und Nachrichtendienste besser befähigen könne, die Freiheit zu schützen.
Die Vorsitzenden der Unionsparteien, Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU), forderten nach dem Messerattentat von Solingen weitere Verschärfungen in der Asyl- und Migrationspolitik. Beide machten am Wochenende deutlich, dass sie die bisher von der Bundesregierung geplanten Vorhaben für nicht ausreichend halten. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wies die Kritik zurück. Er plädierte dafür, alle weiteren Ideen diese Woche bei gemeinsamen Gesprächen von Regierung, Union und Bundesländern zu erörtern.
Die Ampel-Koalition hatte sich am Donnerstag als Antwort auf die Terrortat von Solingen auf ein „Sicherheitspaket“ verständigt. Geplant sind etwa eine Verschärfung des Asylrechts, weitgehende Messerverbote und mehr Befugnisse der Sicherheitsbehörden. Flüchtlingen, für die ein anderes EU-Land zuständig ist, will die Regierung die Sozialleistungen komplett streichen.