Plätze in Abschiebungshaft oft ungenutzt

Plätze in Abschiebungshaft oft ungenutzt
Bundesinnenministerin Faeser (SPD) hat die Zahl der Abschiebungshaftplätze als nicht ausreichend bezeichnet. Derzeit allerdings lässt die Auslastung der bestehenden Haftkapazitäten keinen höheren Bedarf erkennen.

Frankfurt a.M. (epd). Nach dem tödlichen Messerangriff eines Asylbewerbers in Solingen wird darüber diskutiert, wie der behördliche Vollzug von Abschiebungen und Überstellungen nach den Dublin-Regeln verbessert werden kann. Eine Möglichkeit ist, ausreisepflichtige Personen in Haft zu nehmen, damit diese sich der Abschiebung nicht entziehen können. Einer Umfrage des Evangelischen Pressediensts (epd) unter allen Bundesländern zufolge sind viele Zellen in den jeweiligen Haftanstalten leer.

So hatte Bayern, das über 262 Haftplätze verfügt, Ende August 171 dieser Plätze belegt, Niedersachsen 17 von 48. In Hessen waren es im ersten Halbjahr 2024 durchschnittlich knapp 37 von 80 Plätzen, in Baden-Württemberg rund 33 von 51, in Nordrhein-Westfalen 84 von 175 Plätzen, in Rheinland-Pfalz 26 von 40. In Sachsen seien im Schnitt 12 von 58 Plätzen belegt gewesen, von denen wegen Baumaßnahmen derzeit aber nur 24 zur Verfügung stünden.

Nicht alle Bundesländer haben eigene Anstalten für Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam. Brandenburg und Thüringen greifen den Angaben zufolge auf die Kapazitäten anderer Bundesländer zurück. Auch Berlin tue das, teilte die Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport mit, weil derzeit die eigene Haftanstalt saniert werde. Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern nutzten eine gemeinsame Einrichtung in Glückstadt. Das Saarland antwortete nicht auf die epd-Anfrage.

Bei Gesprächen zwischen Bund und Ländern zur Asylpolitik will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auch über die Zahl der Abschiebehaftplätze sprechen. Es gehe darum, ausreichend Plätze zu bekommen, „die wir mitnichten haben“, sagte sie am Freitag bei einer Pressekonferenz. Faeser wolle eine „Task Force“ von Bund und Ländern gründen, um sogenannte Dublin-Überstellungen von Flüchtlingen, für die ein anderer europäischer Staat zuständig ist, zu forcieren.

Bayern unterstrich derweil seinen Willen zum Ausbau der Haftkapazitäten. Diese „wurden und werden weiter ausgebaut“, teilte das bayerische Innenministerium dem epd mit. In Passau entstünden derzeit 100 zusätzliche Plätze für Abschiebungshäftlinge und 100 weitere Plätze, die sowohl für Abschiebungs- als auch für Straf- oder Untersuchungshaft genutzt werden könnten.

Den Angaben zufolge hatte Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr bis zum 30. Juni 9 Personen aus der Haft heraus abgeschoben oder nach Dublin-Regeln überstellt, im Vergleich zu 218 Personen ohne vorherige Haft. Thüringen schob im selben Zeitraum insgesamt 254 Menschen ab, davon 7 aus der Zelle heraus. In Rheinland-Pfalz waren es 395, davon saßen 95 zuvor in der Abschiebungshaftanstalt in Ingelheim.

Baden-Württemberg vollzog in diesem Jahr bis Ende Juli 1.603 Abschiebungen. Bei 176 davon waren die Betreffenden in Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam. In 275 weiteren Fällen erfolgte die erzwungene Ausreise aus der Straf- oder Untersuchungshaft oder einer Ersatzfreiheitsstrafe oder aus der Unterbringung in einer Psychiatrie heraus. Berlin meldete insgesamt 600 Abschiebungen bis Ende Juli, davon 12 aus Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam und 136 aus Strafhaft.

In Hamburg waren es in diesem Jahr rund 1.000 abgeschobene Personen, davon 192 aus der Haft heraus. Die Zahlen unterscheiden hier allerdings nicht zwischen Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam und anderen Haftgründen. Das aus den beiden Städten Bremen und Bremerhaven bestehende Bundesland Bremen hat laut einer Sprecherin des Innensenators in diesem Jahr bislang elf Personen abgeschoben oder überstellt, davon einen Asylbewerber aus der Haft.