Berlin (epd). Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat das derzeitige Verfahren für Anerkennungsleistungen in der evangelischen Kirche für Missbrauchsbetroffene als nicht transparent kritisiert. In den 20 evangelischen Landeskirchen fehlten vergleichbare Regelungen auf Basis nachvollziehbarer Kriterien, sagte Claus dem Magazin „zeitzeichen“ (online, Donnerstag).
Für die Höhe der Zahlung sei oft entscheidend, wie „bedürftig“ eine betroffene Person erscheine. „Es fehlt der klare Bezug auf die Taten, ihr Ausmaß oder auch die Dauer“, sagte Claus. Vielfach behalte sich die zuständige kirchliche Stelle zudem vor, Anerkennungszahlungen als Sachleistungen zu ermöglichen, etwa in Form einer Therapie, einer Fortbildung oder einer Reise. „Da wird dann auch mal sehr paternalistisch entschieden nach dem Motto: Wir wissen, was gut und angemessen für Betroffene ist.“
Zusätzlich könne dies dazu führen, dass Betroffene, die sich gut artikulieren können oder eher fordernd auftreten, am Ende höhere Leistungen erhalten als andere, die weniger gut für sich einstehen können, mahnte Claus.
Das katholische System der Unabhängigen Anerkennungskommission könne hier als Vorbild dienen, die über alle Anträge auf Anerkennungszahlungen aus den 27 katholischen Bistümern in Deutschland entscheidet. Insgesamt wurden seit ihrem Start am 1. Januar 2021 rund 57 Millionen Euro an Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirche ausgezahlt.
Die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) arbeitet derzeit an einem eigenen System für die Anerkennungsleistungen. Ende Januar hatte ein unabhängiges Forschungsteam die ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie vorgestellt. Es geht darin von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern aus, vermutet aber eine deutlich höhere Dunkelziffer.