Köln (epd). Nach dem Messeranschlag von Solingen fordert der Islamwissenschaftler und Extremismus-Experte Yunus Yaldiz eine Stärkung der Präventionsarbeit. Sicherheitsbehörden müssten gestärkt werden, zugleich müsse aber auch in der Prävention Stabilität und Kontinuität gewährleistet sein, um zum Beispiel Sozialarbeiter fortzubilden, die mit diesen Menschen arbeiten, sagte der Projektleiter des Kompetenzzentrums „Islamistischer Extremismus“ am Donnerstag im Deutschlandfunk. „Da sind wir zwar in Deutschland relativ gut ausgestattet, aber es reicht nicht.“
Die Ursachen für Anschläge wie den Messerangriff von Solingen lägen in Kriegen, Krisen und weltweiten Migrationsbewegungen. Menschen flüchteten vor Verfolgung und Terror und erlebten unglaublich viel Gewalt und Traumata, sagte Yaldiz. An den Grenzen würden sie dann oft abgewiesen und „nicht wie Menschen behandelt“. Daraus speise sich „viel Frustration und dann auch natürlich Gewalt“.
Zu befürchten sei, dass solche Taten zunehmen, warnte der Islamwissenschaftler, weil Deutschland Themen wie Rassismus und Stigmatisierung nicht in den Griff bekomme, Populismus zunehme, die politische Landschaft sich verändere und viele Menschen in prekären Verhältnissen lebten.
Die aktuelle Debatte hält Yaldiz für hinderlich. „Es hilft niemandem, wenn wir dauernd vor Abschiebung reden.“ Dies verursache noch mehr Abgrenzung und Ausgrenzung.
Dass sich der mutmaßliche Täter von Solingen radikalisiert haben könnte, sei sicher der Grund für den Anschlag. Es gebe aber viele weitere Gründe, die mit so einer Geschichte einhergingen. „Wenn dieser junge Mann zurückgegangen wäre nach Syrien, wäre er vermutlich ins Militär eingezogen worden“, sagte Yaldiz. Wenn man die ganze Mischung und Perspektivlosigkeit mitdenke, „kann es zu einer Radikalisierung kommen, wenn man sich von der Gesellschaft verlassen fühlt“.
„Man fühlt, dass Anderssein nicht erwünscht ist in Deutschland“, sagte der Extremismus-Experte. Die Politik müsse inklusive Signale setzen und gleichzeitig die Sicherheitsapparate stärken. „Die Menschen müssen eine Chance erhalten, Teil dieser Gesellschaft zu werden, dafür muss alles getan werden.“