Parteiübergreifende Gespräche über Konsequenzen aus Solingen-Anschlag

Parteiübergreifende Gespräche über Konsequenzen aus Solingen-Anschlag
Kanzler Scholz geht auf den Vorschlag von CDU-Chef Merz ein, über Änderungen in der Asylpolitik zu reden. Auch Vertreter der Länder und mit dem Thema befasste Ministerien sollen eingebunden werden.

Solingen (epd). Nach dem Messeranschlag von Solingen will die Bundesregierung mit den Ländern und der Union über Konsequenzen sprechen. Das Bundesinnenministerium werde zu „vertraulichen und zielgerichteten“ Gesprächen einladen, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in Berlin an. Die Regierung berät zudem intern über ein Maßnahmenpaket. Auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) plädiert für Konsequenzen, warnt aber vor Populismus. Die nordrhein-westfälische Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) forderte Verbesserungen in der Abschiebepraxis, Bund und Länder müssten sich an einen Tisch setzen.

„Nach diesem Terroranschlag können und werden wir nicht zur Tagesordnung übergehen“, sagte Scholz. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatten Maßnahmen zur Bekämpfung von Islamismus, für schnellere Abschiebungen und zur Verschärfung des Waffenrechts angekündigt. CDU-Chef Friedrich Merz fordert auch grundlegende Änderungen in der Migrationspolitik, darunter Zurückweisungen Asylsuchender an der Grenze, und bot Scholz Gespräche dazu an.

Diese Gespräche sollen laut Scholz nun zwischen Faeser, Vertretern von CDU und CSU sowie der Spitze der Ministerpräsidentenkonferenz geben. Ziel sei, irreguläre Migration zu begrenzen. Forderungen nach rechtlichen Änderungen, die Grundsätze des Asylrechts wie den Anspruch auf eine individuelle Prüfung des Schutzgesuchs infrage stellen, wies die Regierungsspitze erneut zurück.

Wirtschaftsminister Habeck forderte eine bessere Ausstattung und mehr Befugnisse der Sicherheitsbehörden, die Bekämpfung von Radikalisierung sowie Änderungen beim Umgang mit Migration. In einem Video auf der Plattform X warnte er aber vor Aussagen, „die Lösungen vorgaukeln, die Unfug sind oder nichts bringen“. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstag), es müsse alles geprüft werden, „was tatsächlich hilft, für Sicherheit in Deutschland zu sorgen“. Ein Punkt sei, „Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien möglich zu machen“.

NRW-Integrationsministerin Paul räumte Versäumnisse in der Abschiebepraxis ein. So sei bei der im Juni 2023 geplanten Rückführung des mutmaßlichen Attentäters von Solingen die Kommunikation zwischen Ausländerbehörde und Unterbringungseinrichtung nicht gut gelaufen. Dies werde in NRW nun verbessert, sagte sie am Dienstagabend in Düsseldorf. Das aktuelle System für Rücküberstellungen von Asylsuchenden in EU-Länder, in denen die Menschen zuerst in die EU eingereist sind, nannte Paul „dysfunktional“. Lediglich 10 bis 15 Prozent der genehmigten Überstellungen würden tatsächlich umgesetzt. Hier müssten viele Prozesse und die Zusammenarbeit verbessert werden.

Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Es müssen klare Kriterien erstellt und eingehalten werden, wer ins Land darf und wer nicht.“ Im Asylbereich müssten zudem viel mehr Menschen mit „einem vernünftigen Bild“ vom Islam eingesetzt werden, um ihre Landsleute aus Syrien oder Afghanistan aufzuklären. Diese Leute könnten auch viel schneller erfassen, wer mit einem extremistischen Gedankengut komme und wer gefährlich sein könnte.

Am Freitagabend hatte ein Mann bei den Feiern zum 650. Solinger Stadtjubiläum mit einem Messer drei Menschen getötet und acht verletzt. Der mutmaßliche Attentäter Issa Al H. wurde am Samstagabend festgenommen und sitzt in Untersuchungshaft. Dem 26-jährigen Syrer werden unter anderem dreifacher Mord und die Mitgliedschaft in der islamistischen Terrororganisation IS vorgeworfen.