Scholz: Waffenrecht verschärfen und konsequent abschieben

Bundeskanzler Olaf Scholz wird von Hendrik Wüst begrüßt.
Henninga Kaiser/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz traf in der Stadt Solingen ein, um der Opfer des Messerangriffs zu gedenken. Dort wurde Scholz (SPD, rechts) von Hendrik Wüst (CDU, Mitte), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und von Tim Kurzbach (SPD, links), Oberbürgermeister der Stadt Solingen, begrüßt.
Nach Anschlag in Solingen
Scholz: Waffenrecht verschärfen und konsequent abschieben
Nach dem Anschlag beim Solinger Stadtfest ist Kanzler Scholz zum Gedenken in die Stadt gereist. Er verspricht eine Verschärfung des Waffenrechts. Die Union will mit ihm aber über die Asylpolitik reden.

Der mutmaßlich islamistisch motivierte Messeranschlag von Solingen hat eine neue Debatte über die Sicherheits- und Migrationspolitik entfacht. Bei einem Besuch am Anschlagsort kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag eine Verschärfung des Waffenrechts an, insbesondere in Bezug auf Messer. Details blieben aber offen. Die Union erneuerte derweil ihre Forderungen nach einer strikten Begrenzung der Zuwanderung.

"Alles, was in unserer Macht liegt, was in unseren Möglichkeiten liegt, muss auch getan werden", sagte Scholz. Der Kanzler war nach Solingen gereist, um gemeinsam mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU), dessen Stellvertreterin Mona Neubaur (Grüne), Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) und Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) der Opfer zu gedenken sowie mit Einsatzkräften zu sprechen. Beim "Fest der Vielfalt" zum 650. Solinger Stadtjubiläum hatte ein Mann am Freitagabend mit einem Messer auf Festbesucher eingestochen. Drei Menschen wurden getötet und acht verletzt.

Der Kanzler sprach von "Terrorismus gegen uns alle". Er sei wütend und zornig über die Tat. "Sie muss schnell und hart bestraft werden", sagt Scholz. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) erklärte in Berlin, der islamistische Terror sei eine große Gefahr für die freie Gesellschaft, "weil er alle Werte unserer Demokratie verachtet und bekämpft". Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wollten sich am Montagnachmittag im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin über die Lage islamistischer Bedrohung informieren.

Aufnahmestopp verstoße gegen Grundgesetz

Zu möglichen Asylrechtsverschärfungen äußerte sich Scholz derweil zurückhaltend. Er verwies auf die bereits beschlossenen Verschärfungen der Abschieberegeln. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte zeitgleich in Berlin, im Fall Solingen habe man es nicht mit rechtlichen Schwierigkeiten, sondern mit Umsetzungsproblemen zu tun. Er bestätigte, dass der Tatverdächtige, der aus Syrien nach Deutschland gekommen war, eigentlich nach Bulgarien hätte überstellt werden können.

Die Forderung des CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz, keine Flüchtlinge mehr aus Afghanistan und Syrien aufzunehmen, wies Hebestreit zurück. Es gebe verfassungsrechtliche Grundsätze, die man nicht über Bord werfen könne, sagte er. Ein Aufnahmestopp würde gegen das Grundgesetz und die EU-Menschenrechtskonvention verstoßen. Merz hatte Scholz per öffentlicher Mail dazu aufgefordert, bei einem für diese Woche geplanten Treffen über grundlegende Änderungen in der Flüchtlingspolitik zu sprechen.

Ministerpräsident Wüst sagte zu politischen Konsequenzen aus der Tat: "Ankündigungen alleine werden nicht reichen." Es müsse möglich werden, mindestens in Teile Syriens und nach Afghanistan abzuschieben, sagte der CDU-Politiker. Dazu brauche es eine neue Lagebewertung des Auswärtigen Amtes.
Das Bundesinnenministerium ist nach eigenen Angaben mit Nachbarländern von Syrien und Afghanistan im Gespräch, um Abschiebungen dorthin möglich zu machen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte, die praktischen Fragen seien "alles andere als trivial". Nach aktueller Einschätzung komme es in Syrien in allen Landesteilen weiter zu Kämpfen und schweren Menschenrechtsverletzungen.

Der Extremismusforscher Andreas Zick warnte davor, den Solinger Anschlag zu instrumentalisieren. Nötig sei vielmehr, die Analyse von möglichen Gefährdern zu verstärken und den Terror genau zu analysieren, sagte der Bielefelder Konfliktforscher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nach Angaben der staatlichen "Beratungsstelle Radikalisierung" erreicht islamistische Propaganda über Internet-Plattformen wie TikTok zunehmend sehr junge Menschen. Die beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angesiedelte Hotline erhielt in diesem Jahr nach Angaben einer Sprecherin bereits mehr als 200 Anrufe von alarmierten Menschen aus dem Umfeld mutmaßlich radikalisierter Personen.
Dem mutmaßlichen Attentäter Issa Al H. wird die Mitgliedschaft in der islamistischen Terrororganisation IS vorgeworfen. Der 26-jährige Syrer wurde am Samstagabend festgenommen und sitzt in Untersuchungshaft.

Fassungslosigkeit und Friedensdemonstrationen

In der Stadt spüre er immer noch eine gewisse Fassungslosigkeit, erklärte Mohr. Die Verarbeitung beginne jetzt erst. Er habe bei der Trauerfeier vor Ort gemerkt, "dass es sozusagen ein 'Sacken lassen' braucht, um überhaupt annähernd begreifen zu können, was da passiert ist", sagte der Solinger Stadtdechant.

Der Sender berichtet auch von Friedensdemos in Köln am vergangenen Wochenende. Dort hatten sich am Kölner Heumarkt einige hundert Menschen zu einem Friedensmarsch gegen Gewalt und islamistischen Terror versammelt. Unter dem Motto "Nicht mit uns" hatten die Organisatoren um Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor aufgerufen, ein Zeichen gegen Terror und Islamismus zu setzen. Bei der Aktion vertreten waren unter anderen auch Vertreter:innen der Initiative "Engel der Kulturen", die sich für das friedliche Zusammenleben der drei großen Weltreligionen einsetzt.