Frankfurt a.M., Kabul (epd). Zum dritten Jahrestag der Machtübernahme der Taliban haben zahlreiche Organisationen mehr deutsches Engagement für die Menschen in Afghanistan gefordert. So rief Amnesty International am Donnerstag dazu auf, das Aufnahmeprogramm für gefährdete Afghaninnen und Afghanen fortzusetzen und auszuweiten. Aber auch Rufe nach mehr humanitärer Hilfe wurden laut. Derweil hielten die Taliban zum Jahrestag ihrer Machtübernahme am 15. August 2021 mehrere Militärparaden ab, unter anderem auf der ehemaligen Militärbasis der USA in Bagram.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte die massiven Einschränkungen der Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan durch die Taliban. „Die Hälfte des Landes darf nicht mehr das tun, was zum normalen Leben dazu gehört: Arbeiten, alleine ins Krankenhaus oder Restaurant gehen, singen, sein Gesicht auf der Straße zeigen, als Teenager die Schule besuchen“, erklärte sie in Berlin. Zugleich versprach sie, Deutschland stehe an der Seite der Frauen, Mädchen und aller von den Taliban bedrohten Menschen und unterstütze sie auch durch humanitäre Hilfe.
Amnesty International warnte derweil die Bundesregierung vor der Einstellung des Aufnahmeprogramms für gefährdete Afghaninnen und Afghanen, dessen Finanzierung 2025 auslaufe. Damit breche die Regierung ihr Versprechen gegenüber afghanischen Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Anwälten. Das Programm sei mit der Zusage der Aufnahme von 22.000 Personen ein Hoffnungsschimmer gewesen. Laut dem Auswärtigen Amt sind seit dem Start im Oktober 2022 bislang knapp 600 Menschen darüber eingereist, weitere 3.000 Aufnahmezusagen lägen vor. Insgesamt seien mehr als 34.000 gefährdete Personen seit der Machtübernahme der Taliban nach Deutschland gekommen.
Mehr als 50 Organisationen und Initiativen riefen dazu auf, sichere Fluchtwege zu schaffen. Die Bundesrepublik habe wegen ihrer Beteiligung am zwei Jahrzehnte andauernden internationalen Militäreinsatz eine humanitäre Verantwortung gegenüber den Menschen in Afghanistan, erklärten sie in einer gemeinsamen Stellungnahme. Wenn das Leben im eigenen Land zu gefährlich werde und die Menschen gezwungen seien, es zu verlassen, müssten sie unterstützt werden.
Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) mahnte derweil, Afghanistan angesichts der laufenden Haushaltsdebatte nicht zu vergessen. Die humanitäre Hilfe habe eine Hungersnot in dem Land abwenden können, doch weitere Hilfe sei nötig, gerade um Frauen zu unterstützen, sagte WFP-Sprecher Martin Rentsch. „Zum Beispiel sind WFP-Schulungen für sie oft einer der wenigen sicheren Orte, wo sich austauschen können und Fähigkeiten erwerben, um Geld für ihre Familie zu verdienen.“
Demnach hat die Bundesregierung dem WFP in diesem Jahr noch keine feste Finanzzusage gemacht, sondern lediglich die Zahlung von 45 Millionen Euro für Afghanistan in Aussicht gestellt. 2021 beliefen sich die deutschen Zahlungen an das Welternährungsprogramm auf 146 Millionen Euro, 2022 auf 167 Millionen Euro und 2023 auf 78 Millionen Euro. Nach UN-Angaben sind 23,7 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung.
Laut der UN-Bildungsorganisation Unesco wurde seit August 2021 mindestens 1,4 Millionen Mädchen der Besuch weiterführender Schulen verweigert. Afghanistan sei weltweit das einzige Land, in dem Mädchen über zwölf Jahre und Frauen Bildung verwehrt werde.