Wie eine Schicht bei der Müllabfuhr aussieht

Portrait von drei Müllwerkern vor Wasserstoff betriebenem Fahrzeug
epd-bild/Jens Schulze
Mit dem Aha Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover und einem Wasserstoff betriebenem Fahrzeug unterwegs in Langenhagen. V.l.n.r. Dirk Goeldner (55), Stefan Brueckner (42) und Gerrit Iser (33) bilden ein Team.
Drei Männer, eine Tour, viel Teamwork
Wie eine Schicht bei der Müllabfuhr aussieht
Ihre größten Fans sind kleine Kinder. Doch nicht nur sie winken freudig, wenn die Männer und Frauen in Orange um die Ecke biegen. Die meisten Menschen begegnen Müllwerkern mit Respekt. Über einen Beruf, der unverzichtbar ist.

Drei Männer, eine Tour und ein choreografierter Ablauf, der seinesgleichen sucht. Stefan Brückner, Dirk Göldner und Gerrit Iser sind Müllmänner bei der Abfallwirtschaft Region Hannover und heute im Umland von Langenhagen unterwegs.

Brückner sitzt am Steuer - er fährt, stoppt, bremst, kurbelt, rangiert. An Mülltonnen angekommen, springt mal Vorarbeiter Göldner raus, mal Iser, mal beide. Manchmal hechtet auch Brückner von seinem Fahrersitz, weil noch eine Hand gebraucht wird. Göldner und Iser fahren hinten auf den Trittstufen mit oder in der Fahrerkabine. Woher sie wissen, wer wann zupacken muss, wer wo seinen Platz hat, bleibt Ihr Geheimnis. Sie verstehen sich blind, um ihre Team- und Multitasking-Fähigkeiten dürfte sie so mancher Büroangestellter beneiden.
Die Abfallwerker, so die offizielle Bezeichnung des Anlernberufs, sind heute um 6.15 Uhr in der Betriebstätte Laatzen mit ihrem modernen Wasserstofffahrzeug gestartet. Wenn es voll beladen ist, wiegt es 27 Tonnen.

Ihre Tour führt sie wie jeden zweiten Mittwoch vom Süden in den Norden Hannovers, eine idyllische Route: Wiesen und Felder, Dörfer, Alleen - und der Flughafen Hannover-Langenhagen. Auch dort werden - mit gesonderter Sicherheitserlaubnis - rund um den Tower und im Frachtterminal bei "FedEx" die Restmüll-Container geleert.

340 Millionen Tonnen Abfälle im Jahr

Restmüll, Sperrmüll, Altpapier, Biotonne, Gelber Sack: Über 280.000 Menschen sind laut Bundesumweltministerium in der Abfallwirtschaft tätig. In Deutschland fallen den Angaben zufolge jährlich etwa 340 Millionen Tonnen Abfälle an, von denen 50 Millionen sogenannte Siedlungsabfälle sind, die zu zwei Dritteln recycelt werden. Das ist Müll, der aus Privathaushalten stammt und aus Einrichtungen wie Schulen, Kitas, Kliniken, Büros, Praxen sowie hausmüllähnliche Abfälle aus Gewerbe und Industrie. Der größte Teil des Mülls ist Bauschutt, etwa Asphalt, Beton, Mörtel.

Müllwerker müssen fit und teamfähig sein und vorausschauend denken. Mitarbeiter Dirk Goeldner (Foto) arbeitet sei 19995 bei Aha.

Doch zurück zum Restmüll, die Tour rund um Langenhagen geht weiter. Die Abstände zwischen den Grundstücken sind zum Teil groß. Iser fährt vorn mit, seine Handschuhe hat er ausgezogen, auf den Knien balanciert er eine Tupperdose mit Blaubeeren. Aus dem Radio dudelt Musik. Der 33-Jährige ist erst seit neun Monaten dabei, er hofft auf eine Festanstellung. Der gelernte Einzelhändler ist Quereinsteiger, seinem vierjährigen Kind zuliebe. "So habe ich nachmittags Zeit."

Auch Göldner und Brückner haben andere Berufe gelernt: Der 55-jährige Göldner, seit fast 30 Jahren bei der Abfallwirtschaft, ist Energieanlagenelektroniker, der 42-jährige Brückner, seit 14 Jahren dabei, gelernter Landmaschinenmechaniker. Ein Traumberuf sei Müllmann natürlich nicht, "aber eigentlich ist es ok", sagt Göldner.

"Die Arbeit ist Knüppelei"

Die Menschen reagierten überwiegend positiv und wertschätzend auf sie, und der Job biete Sicherheit. "Wir haben einen kommunalen Arbeitgeber, bekommen alles gestellt, müssen nichts selbst zahlen." Die Stimmung unter den Kollegen sei gut. Das bestätigt auch Betriebsstättenleiter Ilias Klug. "Die Arbeit ist Knüppelei, aber wenn jeder jeden unterstützt, geht's."

Das Einstiegsgehalt eines Abfallwerkers liegt der Abfallwirtschaft Region Hannover zufolge bei 2.762,69 brutto, dazu gibt es eine monatliche Zulage von 362,20 Euro. Das Gehalt steigt mit zunehmender Berufserfahrung.

Das Trio in Orange ist am Schützenhaus des Ortsteils Kaltenweide angekommen. Brückner und Göldner wechseln den Fahrersitz. Die Sonne steht inzwischen hoch am Himmel, es sind 27 Grad - der stechend-beißende Geruch des Mülls, bisher moderat, nimmt zu. "Da gewöhnt man sich aber dran", sagt Göldner, und Brückner ergänzt lachend: "Das riecht man erst wieder, wenn man drei Wochen Urlaub hatte."

Gibt es etwas, was sie sich wünschen, dass ihnen die Arbeit erleichtert? Brückner muss nicht lang überlegen. Ärgerlich seien ungeräumte Grundstücke im Winter, zugeparkte Kurven, unbeschnittene Hecken, deren Zweige am Müllwagen entlangschrammen, und zu enge Straßen. "Neubaugebiete werden immer kleiner geplant."

Göldner appelliert an die Bürger, den Inhalt von Müllsäcken nicht in die Tonne auszuschütten, sondern den kompletten Müllbeutel zu versenken. "Gerade im Sommer klebt und gärt das sonst, und wir bekommen die Tonnen nicht sauber". Zur Veranschaulichung öffnet er eine Mülltonne, die voller weißer Maden sitzt. Göldner hängt sie ein zweites Mal in die hydraulische Schüttung ein, um möglichst viele Larven abzuschütteln, bevor er die Tonne am Griff umfasst und an ihren Platz zurückrollt.

Maden und Nacktschnecken, Schmutz und Dreck, Hitze und Gestank: Nach vielen Stunden Müllabfuhr hat auch der hartgesottenste Abfallwerker genug. Zum Glück ist es gleich 14.18 Uhr. Zeit zum Duschen. Um 14.33 Uhr ist Feierabend, die Arbeitszeit beträgt 7,48 Stunden - bei der Müllabfuhr ist alles genau geregelt.