Berlin (epd). Wolf Biermann zweifelt an der Demokratiefähigkeit der Deutschen. Der „Zeit“ sagte der Liedermacher: „Wir Deutschen haben einen totalitären Familienstammbaum mit einer aufgepfropften Demokratie.“ Nach den Worten Biermannns „duften“ die meisten Deutschen nach Anpassung und Untertan.
„In der DDR-Diktatur hat sich, sogar beim Volksaufstand am 17. Juni 1953, nur eine fatal unorganisierte Minderheit gewehrt. Das hat Langzeitfolgen auch für das Verhalten nach der Wiedervereinigung“, sagte der 87-Jährige, der 1976 aus der DDR ausgebürgert wurde und heute in Hamburg lebt. „Nicht alle, aber zu viele gelernte Untertanen im Osten erwarten, dass sich der Staat wie in einer strengen Fürsorgeanstalt um alles kümmert“, konstatierte er.
1989 beim Sturz der DDR-Regierung hätten nur die Menschen auf der Straße für die Freiheit gekämpft, andere „hinter der Gardine“ gestanden. „Die wollten nicht mit dem Trabi aus Pappe nach Ungarn fahren, sondern mit dem Mercedes nach Italien“, sagte Biermann in dem am Dienstagabend online veröffentlichten Interview.
Den thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke und Sahra Wagenknecht, die sich von der Linkspartei getrennt und das Bündnis Sahra Wagenknecht gegründet hat, nannte Biermann „das politische Brautpaar der Stunde“: „Da wächst in der Ex-DDR zusammen, was zusammengehört: die Erben des Hitlerschen Nationalsozialismus und des Stalinschen Nationalkommunismus.“ Biermann sagte: „Echte Braune und falsche Rote verachten die Regenbogenfarben der Demokratie.“