Bei rechtsextremen Demonstrationen gegen die CSD-Parade in Bautzen hat die Polizei 14 Strafverfahren und sieben Ordnungswidrigkeiten eingeleitet, unter anderem wegen Volksverhetzung, Verwendens verfassungswidriger Organisationen sowie Körperverletzung und Beleidigung. Zudem wurden 16 Platzverweise ausgesprochen.
Eine erschreckende Bilanz. Das findet auch Kai Bölle, Vorstandsmitglied des CSD-Dachverbandes Deutschland. "Wir sind erschüttert über Art und Ausmaß des rechtsradikalen Aufmarsches in Bautzen. Eine friedliche CSD-Demonstration wird auf aggressive Weise angegangen. Menschen werden indirekt und direkt bedroht", sagt er.
Beobachter vor Ort berichteten auf der Onlineplattform X von einer hochaggressiven Stimmung bei den rechtsextremen Gegendemonstranten. Wie auch viele der CSD-Teilnehmer waren mehrere hundert Rechtsextreme zuvor mit der Bahn angereist. Bereits am Hauptbahnhof Dresden habe es Auseinandersetzungen gegeben, so die Polizei.
Bölle, der für die Pressearbeit des Vereins verantwortlich ist, zeigt sich besorgt über diese jüngsten Entwicklungen: "Nachdem bereits die Grenze des Sagbaren in den letzten Jahren dramatisch verschoben wurde, folgt nun das Machbare."
Unterdessen ermittelt nach einer Vielzahl von Hasskommentaren zu einer Social-Media-Berichterstattung anlässlich des Christopher Street Days (CSD) im niedersächsischen Gifhorn der Staatsschutz der Polizei gegen die Verfasser. Ein bei Facebook veröffentlichter Beitrag zur CSD-Parade am 13. Juli habe "eine Welle an hasserfüllten Kommentaren" ausgelöst, berichtet die "Gifhorner Rundschau" auf ihrer Website.
Hasskommentare sind alltäglich
Bölle betont: "Bautzen ist lediglich der unrühmliche Höhepunkt. Hasskommentare im Netz sind seit Jahren alltäglich und nehmen zu. Mittlerweile sind diese Kommentare oftmals Drohungen von Vernichtung."
Direkte Gewaltandrohungen hätten viele CSD-Organisator:innen in diesem Jahr zu spüren bekommen. "Diese rechtsextremen Strömungen sind eben keine Randerscheinung. Allen voran die AfD hat sie angefeuert und salonfähig gemacht. Doch auch CDU/CSU, FDP, Teile der SPD und das BSW stimmen mehr und mehr in den Chor derer ein, die Menschen wieder einteilen und klassifizieren", kritisiert Bölle.
Der Verbandsvertreter hat auch eine Idee, wie sich die Gesellschaft gegen Diskriminierung solidarisieren kann: "Das beste Mittel, um seinen LGBTIQ+ - Mitmenschen zu signalisieren, dass sie willkommen sind, ist, laut zu sein. Zu Demonstrationen zu gehen, zu widersprechen, wenn Äußerungen im direkten Umfeld fallen, sichtbare Zeichen anbringen, wie etwa Regenbogenaufkleber."
Er betont: "Gerade Unterstützung aus den üblicherweise unerwarteten Lagern wie der Kirche ist besonders wertvoll."
Unterdessen bezieht die Landeskirche in Sachsen Stellung zu dem Vorfall in Bautzen: "Die Bedrohung und Einschüchterung von Menschen, die nicht in das eigene Weltbild passen, sowie verbale und tätliche Gewalt gegen Menschen, die anders denken, anders aussehen, anders glauben, anders lieben oder anders leben, entspricht nicht dem Evangelium, welches von der Liebe Gottes zu allen Menschen gekennzeichnet ist. Gegen solche Gewalt wenden wir uns als Kirche mit klaren Worten."
Weiter heißt es: "Auch beobachten wir mit Sorge, dass die gesellschaftlichen Debatten, die es im Blick auf den Umgang mit Genderfragen gibt (auch in unserer Kirche gibt es dazu ja unterschiedliche Haltungen), instrumentalisiert werden von rechtsextremen Gruppierungen. In einer freiheitlichen Demokratie ist es möglich, sowohl für die Rechte von LGBTQ-Personen als auch für ein traditionelles Familienbild einzutreten – die Grenze ist sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach dem Evangelium dann erreicht, wenn anderen Menschen das Recht zur freien Entfaltung oder sogar das Existenzrecht abgesprochen wird, wenn die Meinung mit Hass und Gewalt durchgesetzt wird oder ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt und diskriminiert werden."