Hilfsorganisation: "Menschen in Gaza leben in einer Kriegswirtschaft"

Hilfsorganisation: "Menschen in Gaza leben in einer Kriegswirtschaft"
10.08.2024
epd
epd-Gespräch: Marie Kröger

Frankfurt a.M. (epd). Der Zugang für Hilfslieferungen in den Gazastreifen ist nach Angaben der Hilfsorganisation „Clean Shelter“ weiterhin erschwert. Mittlerweile sei es jedoch möglich, Spendengelder direkt über Banküberweisungen nach Gaza zu transferieren, anstatt wie bisher über ägyptische Bankkonten und durch Mittelsmänner, sagte die Israelin und Geschäftsführerin Tom Kellner dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Die Menschen in Gaza leben in einer Kriegswirtschaft. An einigen Tagen kosten Toilettenschüsseln beispielsweise umgerechnet 100 Euro und an anderen 500 Euro.“ Zusammen mit der Palästinenserin Seba Abu Daqa hat sie die Hilfsorganisation „Clean Shelter“ im Dezember 2023 in Berlin gegründet.

Die Organisation vermittelt Zelte und Sanitäranlagen und versorgt rund 1.000 Familien täglich mit sauberem Trinkwasser in Flüchtlingslagern. Die Berlinerin Kellner und die Münchnerin Abu Daqa haben sich kurz nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel Anfang Oktober 2023 über eine digitale Friedensdialoggruppe kennengelernt, die von dem israelischen Friedensdorf „Neve Shalom“ (Deutsch: Ort des Friedens) initiiert wurde. „Wenn wir die israelische und palästinensische Kultur mit der deutschen vergleichen, haben Seba und ich sehr viel mehr gemeinsam, als wir denken“, sagte Kellner.

„Clean Shelter“ organisiert auch Spenden für die Unterbringung von Geflüchteten und hält mit den freiwilligen Helfern im Gaza-Streifen Kontakt. „Unsere größte Sorge neben den Materialien ist die instabile Kommunikation in Gaza. Wenn es einen Angriff gibt oder eine andere militärische Aktivität, dann können Tage vergehen, bis wir unsere Helfer erreichen“, sagte Co-Geschäftsführerin Abu Daqa.

In Deutschland war es den Angaben zufolge am Anfang schwer, ein Spendenkonto einzurichten. „Es hat lange gedauert, bis wir eine Bank gefunden haben, die uns aufnimmt“, sagte Kellner. Mittlerweile gibt es ein Konto und die Spenden kommen aus der ganzen Welt. „Viele Beträge erhalten wir von jüdischen Israelis. Arabische Israelis leben seit dem Beginn des Krieges in Angst und fühlen sich beobachtet. Obwohl wir eine deutsche Bankkontonummer haben, ist ihnen das Risiko zu spenden zu hoch“, sagte Abu Daqa.

„Eine der größten Chancen, die wir als kleine Organisation haben: Wir können schnell reagieren, wir können uns schnell bewegen, wir können flexibel sein“, sagte Kellner. „Clean Shelter“ arbeite ausschließlich mit Materialien aus dem Gaza-Streifen, die verfügbar seien. „Doch selbst wenn der Krieg morgen vorbei wäre und wir wieder Materialien bestellen könnten, bräuchten wir zehn Jahre, um dort alles wiederaufzubauen“, sagte Abu Daqa.

Die von Clean Shelter aufgebauten Community-Zentren werden dabei nach getöteten Frauen im Israel-Gaza Konflikt benannt. Eine öffentliche Küche heißt zum Beispiel „Vivian“, in Anlehnung an die israelische Friedensaktivistin Vivian Silver, die am 7. Oktober getötet wurde.