Forderung nach Aufarbeitung der Corona-Politik

Forderung nach Aufarbeitung der Corona-Politik

Frankfurt a.M. (epd). Die Schriftstellerin Juli Zeh dringt zusammen mit drei Wissenschaftlerinnen auf eine Aufarbeitung der deutschen Corona-Politik. „Fehler wurden nicht nur bei der Auswahl bestimmter, im Nachhinein geradezu absurd anmutender Maßnahmen gemacht, sondern vor allem im Umgang mit den Bürgern“, schreiben Zeh, die Soziologin Svenja Flaßpöhler und die Jura-Professorinnen Elisa Hoven und Frauke Rostalski in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag).

In dem Gastbeitrag mit der Überschrift „Wir müssen die Corona-Jahre endlich aufarbeiten“ heißt es: „Es wurden Gewissheiten vorgetäuscht, Fehler nicht zugegeben und auch nicht korrigiert, es wurde gefordert, 'der Wissenschaft' zu folgen, obwohl in vielen grundlegenden Fragen Uneinigkeit bestand und obwohl die Politik selbst Einfluss auf die Wissenschaft genommen hat.“ Es sei grundsätzlich erwartbar, dass Fehler passieren, wenn auf Neues zu reagieren ist. Es sei aber wichtig, diese Fehler zu erkennen und zu verstehen, aus welchen Gründen sie gemacht wurden.

„Daraus lässt sich etwas lernen. Für die Krisen, die noch kommen werden“, schreiben die vier Frauen und fügen hinzu: „Eine Reflexion von Entscheidungen und Kommunikation in der Pandemie ist kein Nachtreten, sondern ein notwendiger Schritt aufeinander zu, im Interesse des gesellschaftlichen Friedens.“

Aus Sicht der vier Autorinnen des Gastbeitrages offenbaren bekannt gewordene Protokolle aus dem Robert Koch-Institut (RKI) und ein bereits 2020 öffentlich gewordenes Strategiepapier des Bundesinnenministeriums „ein äußerst zweifelhaftes Verständnis der Politik von ihrer Rolle und ihrem Verhältnis zu den Bürgern“. In den geleakten Papieren trete ein Menschenbild zutage, „das mit der demokratischen Idee vom mündigen Bürger wenig zu tun hat“.

Das Strategiepapier des Innenministeriums vom März 2020 gehe davon aus, dass der Staat „Urängste“ triggern müsse, um die Menschen zum Befolgen der Corona-Maßnahmen anzuhalten. „Die RKI-Protokolle dokumentieren eine ähnliche Auffassung“, schreiben Zeh, die ehrenamtlich als Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg arbeitet, Flaßpöhler, Hoven und Rostalski. „Möglichst viele Menschen sollten zur Befolgung der Maßnahmen und zu Impfungen bewogen werden“, schreiben sie und kritisieren: „Aber wer dazu auf Einschüchterung, Manipulation oder falsches Framing zurückgreift, der behandelt den Bürger nicht als Souverän.“ Er behandele ihn als Teil einer zu dirigierenden und zu schützenden Masse, um einen vermeintlich alternativlosen Weg durchzusetzen.