Menschenrechtsinstitut fordert mehr Schutz für Opfer von Ausbeutung

Menschenrechtsinstitut fordert mehr Schutz für Opfer von Ausbeutung
Als Arbeitskraft angeworben, gedemütigt und geschlagen: Auch in Deutschland gibt es drastische Fälle von Arbeitsausbeutung. Entkommen die Opfer ihrem Arbeitgeber, brauchen sie eine sichere Unterkunft. Daran mangelt es laut einer Analyse.

Berlin (epd). In Deutschland mangelt es nach einer Analyse des Deutschen Instituts für Menschenrechte an sicheren Unterkünften für Opfer von Arbeitsausbeutung. Der bestehende Schutz werde den Betroffenen nicht gerecht, sagte die Leiterin der beim Institut angesiedelten Berichterstattungsstelle Menschenhandel, Naile Tanis. Oftmals würden Betroffene mangels adäquater Unterkünfte in Flüchtlingsheimen oder Notunterbringungen für Wohnungslose gebracht.

Dabei sei Deutschland nach der Europaratskonvention gegen Menschenhandel verpflichtet, die Opfer von Ausbeutung zu schützen, auch um die strafrechtliche Verfolgung der Täter zu ermöglichen. Es könne und dürfe nicht sein, dass Menschen, die ausgebeutet wurden und sich an eine Beratung wenden, nicht vor Tätern geschützt untergebracht werden könnten, sagte sie. Tanis zufolge gibt es angemessene Unterkünfte zwar oft für Frauen, die Opfer sexueller Ausbeutung sind. Es mangele aber an Plätzen für Opfer von Arbeitsausbeutung, oft Männer oder Paare. Tanis fordert in ihrer Analyse die Schaffung und nachhaltige Finanzierung von sicheren Unterkünften für diese Gruppen.

Der Bereichsleiter der Beratungsstelle „Arbeit und Leben“ in Nordrhein-Westfalen, Pagonis Pagonakis, erläuterte, dass übliche Notschlafstellen oft Tätern bekannt seien und Opfer nicht selten dort aufgesucht und drangsaliert würden. Arbeitsausbeutung gibt es seinen Angaben zufolge in vielen Branchen, insbesondere in der häuslichen Betreuung, der Landwirtschaft, im Bausektor und in der Fleischindustrie. Das Spektrum reiche von drastischen Einzelfällen bis zu „mafiösen Strukturen“, bei denen systematisch über Leiharbeitsfirmen Menschen ausgebeutet würden. Es gebe zudem Fälle, in denen es um Arbeits- und sexuelle Ausbeutung gehe. Gegen Sex würden Frauen dabei etwa bessere Arbeitsbedingungen versprochen.

Pagonakis schilderte den besonders drastischen Fall eines polnisches Paares, das über eine Leiharbeitsfirma angeworben wurde und für die Arbeit ein zwei mal vier Meter großes Zimmer für 560 Euro Miete im Monat beziehen sollte. Als sich das Paar weigerte, den völlig überteuerten Preis zu zahlen, wurde der Mann Paganokis zufolge später im Zimmer überrascht und so brutal geschlagen, dass er wegen eines Schädel-Hirn-Traumas und eines Jochbeinbruchs im Krankenhaus behandelt werden musste.

Anschließend sei das Paar nur in einer Notschlafstelle aufgenommen worden. Weil ein sicherer Ort in Deutschland nicht verfügbar war, fuhr das Paar zurück in die Heimat, die Strafverfolgung verlief im Sande.

Das Bundeskriminalamt gab im Lagebild für das Jahr 2022 mehr als 1.000 Opfer von Arbeitsausbeutung an. Es war eine ungewöhnliche hohe Zahl, weil in diesem Jahr ein Großverfahren mit mehr als 550 Opfern abgeschlossen wurde. Das Institut für Menschenrechte geht aber auch von einem hohen Dunkelfeld aus. Zudem würde längst nicht in allen Fällen ermittelt, sagte Pagonakis. In vielen Fällen sagten Opfer nicht aus, auch aus Angst vor den Tätern.