Bonn, Neu-Delhi (epd). Das Unesco-Welterbekomitee hat bei seiner Sitzung am Freitag in Neu-Delhi elf neue Welterbestätten ausgezeichnet und zwei erweitert. Die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine in Ostsachsen sind jetzt gemeinsam mit dem bereits 2015 ausgezeichneten Christiansfeld in Dänemark sowie dem US-amerikanischen Bethlehem in Pennsylvania und Gracehill in Nordirland Teil des Menschheitserbes, wie die Deutsche Unesco-Kommission in Bonn mitteilte. Notfallmäßig wurden demnach die Ruinen des Hilarionklosters im Gazastreifen in die Welterbeliste aufgenommen.
Die Siedlungen der Herrnhuter wurden an allen Orten nach denselben Grundsätzen barock und rechtwinklig geplant. Im einheitlichen Städtebau und der schlichten Architektur spiegeln sich die Ideale der Religionsgemeinschaft und ihre gemeinschaftsorientierte Lebensweise wider. Mit der Entscheidung vom Freitag stehen 53 Stätten in Deutschland auf der Welterbeliste, weltweit sind es mehr als 1.100. Nominiert ist aus Deutschland dieses Jahr auch das Residenzensemble in Schwerin - die Entscheidung des Welterbekomitees darüber wird für Samstag erwartet.
Das Hilarionkloster in den Palästinenischen Gebieten zeuge von der Entwicklung des frühen Christentums im Nahen Osten, erklärte die Unesco. Der Klosterkomplex sei einer der größten seiner Art im Nahen Osten gewesen. Die Stätte im Gazastreifen gilt durch den andauernden Konflikt zwischen Israel und der Terrormiliz Hamas als bedroht und wurde „im Rahmen eines Notfallmechanismus in die Welterbelisten aufgenommen“, wie es hieß. Zugleich wurde das Hilarionkloster in die Liste des gefährdeten Welterbes eingeschrieben.
Zu den weiteren am Freitag ausgezeichneten Stätten zählen Naturlandschaften wie die Badain-Jaran-Wüste in China mit ihren weit über 1.000 Seen, die Vjetrenica-Höhle in Bosnien-Herzegowina mit ihren sieben Kilometer langen Gängen und der für seine Sanddünen bekannte brasilianische Nationalpark Lençois Maranhenses. Auch archäologische Stätten wie Melka Kunture und Balchit in Äthiopien, Umm Al Jimal in Jordanien oder das Grabhügelsystem der Ahom-Dynastie in Indien fanden Aufnahme in die Welterbeliste.
Insgesamt waren für die noch bis zum 31. Juli dauernden Beratungen des Welterbekomitees knapp 30 Stätten nominiert, darunter auch die antike Via Appia in Italien und die Ruinenstadt Gedi in Kenia. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erklärte anlässlich der Aufnahme der Herrnhuter Brüdergemeine, das Gefühl, Teil des kulturellen Erbes der Menschheit zu sein, mache die Verantwortung, dieses zu bewahren, zu einer wahren Freude.
Stammsitz der 1722 gegründeten evangelischen Freikirche ist die Stadt Herrnhut im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien. Bekannt ist sie unter anderem durch den Herrnhuter Weihnachtsstern. Weltweit entstanden mehr als 30 Siedlungen durch die Missionstätigkeit der Herrnhuter Brüdergemeine. Gegründet wurde Herrnhut von protestantischen Glaubensflüchtlingen aus Mähren, die vor der römisch-katholischen Gegenreformation nach Sachsen geflüchtet waren. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) bot ihnen auf seinem Landbesitz Asyl. Dort gründeten sie die Herrnhuter Brüdergemeine, eine bis heute existierende evangelische Freikirche.