Rio de Janeiro, Genf (epd). Die Welt bleibt weit vom Ziel entfernt, den Hunger noch in diesem Jahrzehnt zu überwinden. Im Jahr 2023 waren weltweit 733 Millionen Menschen von Hunger betroffen, wie aus dem am Mittwoch in Rio de Janeiro vorgestellten UN-Welternährungsbericht hervorgeht. Dies entspricht rund 9,1 Prozent der Weltbevölkerung. Damit habe sich das Ausmaß des Mangels gegenüber den Jahren 2021 und 2022 kaum verändert.
Jahrelang waren im Kampf gegen den Hunger Fortschritte erzielt worden, bis zum Beginn der Corona-Krise. 2019 - also im Jahr vor Ausbruch der Pandemie - hungerten den Daten zufolge noch rund 581 Millionen Menschen, 7,5 Prozent der Weltbevölkerung. Als Ursache für den Anstieg während der Pandemie gelten unter anderem die Einschränkungen in den globalen Lieferketten und die Wirtschaftskrise in vielen Ländern.
Allerdings sind die Ursachen für den Hunger laut dem neuen Welternährungsbericht vielfältig: Konflikte wie im Sudan und Nahost sorgten ebenso wie Dürren, Überschwemmungen und andere extreme Wetterlagen dafür. Mangelnder Zugang zu gesunder Ernährung sowie Armut zählen ebenso zu den Ursachen.
Der jährlich erscheinende Bericht wurde von den Chefinnen und Chefs mehrerer UN-Organisationen vorgestellt. Auch UN-Generalsekretär António Guterres sprach per Videobotschaft. Der Report zeige, dass Hunger, Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung eine globale Krise blieben, betonte Guterres.
Mit den UN-Nachhaltigkeitszielen wurde das Ziel ausgerufen, den Hunger bis 2030 zu beenden. Prognosen zufolge würden im Jahr 2030 noch 582 Millionen Menschen chronisch unterernährt sein, heißt es jedoch im Bericht. Die Hälfte davon von ihnen werde in Afrika leben.
Die Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms (WFP), Cindy McCain, mahnte mehr Engagement für die Überwindung der globalen Ungleichheit an. Es werde genug Nahrung produziert, um jeden Menschen auf dem Planeten zu ernähren - und dennoch hungerten Hunderte Millionen von Menschen, kritisierte McCain. Die Systeme zur Produktion und Verteilung von Nahrungsmitteln würden häufig durch wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten untergraben.
Die WFP-Chefin verwies auf die in vielen Weltregionen stark gestiegenen Lebensmittelpreise. In den vergangenen vier Jahren seien in fast 40 Ländern die Preise um mindestens 50 Prozent gestiegen. Viele Familien könnten sich Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten, sagte McCain.
Der Hunger trifft laut dem Bericht vor allem Menschen in armen Ländern, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo extreme Armut und Ernährungsunsicherheit nach wie vor tief verwurzelt sind. Stark gefährdete Bevölkerungsgruppen seien Frauen, Jugendliche und indigene Völker. Derzeit nehme der Hunger in Afrika, Westasien und der Karibik weiter zu. In einigen Regionen Asiens seien jedoch Fortschritte zu verzeichnen. In Südamerika hungerten 2023 rund 5,4 Millionen Menschen weniger als 2021.
Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Dagmar Pruin, kritisierte zur Veröffentlichung des Berichts die von der Bundesregierung geplanten Haushaltskürzungen im Etat des Entwicklungsministeriums und bei der humanitären Hilfe. Dies sei gerade mit Blick auf den Hunger in der Welt „vollkommen unverständlich“, sagte Pruin.