Rom (epd). Nach dem Untergang eines Flüchtlingsbootes vor der Küste Italiens im Februar 2023 ist wegen unterlassener Hilfeleistung gegen sechs Personen Anklage erhoben worden. Vier der Angeklagten sind Beamte der Finanzpolizei, die zwei weiteren arbeiten bei der Küstenwache, wie die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ am Dienstag berichtete. Bei dem Unglück vor der kalabrischen Stadt Crotone waren am 26. Februar 2023 mindestens 94 Menschen gestorben. In Italien wird der Untergang des Schiffes als das „Unglück von Cutro“ bezeichnet, benannt nach der Nachbargemeinde.
Die Staatsanwaltschaft von Crotone sieht laut dem Zeitungsbericht die Hauptschuld bei der Finanzpolizei. Diese soll die Suche nach Überlebenden abgebrochen haben, ohne die Küstenwache darüber zu informieren. Später sollen außerdem Logbücher gefälscht worden sein.
Das Boot mit mehr als 150 Flüchtlingen und Migranten an Bord war in der Türkei gestartet. Laut Aussagen von Überlebenden brach es nur wenige Hundert Meter vor der italienischen Küste auseinander und kenterte. Die damals gerade wenige Monate amtierende Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erließ nach dem Unglück das sogenannte Decreto Cutro. Mit dem Maßnahmenpaket soll vor allem gegen Schlepper im Mittelmeer vorgegangen werden. Das Dekret wurde von Menschenrechtsorganisationen und Seenotrettern kritisiert, weil es unter anderem auch schnellere Abschiebungen von Migrantinnen und Migranten sowie deren Unterbringungen in gefängnisähnlichen Lagern vorsieht.
Das Mittelmeer ist eine der gefährlichsten Fluchtrouten weltweit. Bei der Überquerung kamen laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 2023 mindestens 3.155 Flüchtlinge und Migranten ums Leben oder sie werden vermisst. In diesem Jahr liegt die Zahl bisher bei 1.097.