Lüneburg (epd). Wenn junge Rentnerinnen und Rentner weiterhin erwerbstätig bleiben, sind finanzielle Gründe nach Einschätzung des Forschers Jürgen Deller von nachgeordneter Bedeutung. „Für manche spielt Geld sicherlich auch eine Rolle, aber es ist nicht der primäre Faktor“, sagte der Professor für Wirtschaftspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gehe auch um den Wert der Arbeit an sich und um Wertschätzung. Er forscht seit rund 15 Jahren zum Phänomen „Silver Worker“.
„Es gibt eine ganze Reihe an Motiven. Zunächst einmal hat Arbeit für viele Menschen eine sehr große Bedeutung, weil sie durch Arbeit merken, dass sie etwas verändern und bewirken können.“ Wertschätzung durch andere sei auch ein wichtiger Faktor. Außerdem bedeute der Arbeitsplatz soziale Kontakte. „Zudem ist Arbeit ein Taktgeber. Sie strukturiert den Alltag, gibt den Menschen einen Grund aufzustehen“, sagte Deller.
Der Wirtschaftspsychologe verwies auf vielseitige Vorteile für die Unternehmen durch den Einsatz von sogenannten Silver Workern. „Ältere Mitarbeiter haben vieles erlebt, wie etwa Umstrukturierungen und betriebliche Herausforderungen. Sie sind daher oft resilienter und gelassener als jüngere Mitarbeiter“, erläuterte Deller. Außerdem brächten sie viel Erfahrung und Wissen mit. Wenn Betriebe angesichts des Fachkräftemangels auf motivierte, erfahrene Arbeitskräfte zurückgreifen könnten, besonders bei einer hohen Auftragslage, sei das ein großer Gewinn für sie.
Um Rentner weiter im Unternehmen zu halten, sei ein Klima wichtig, das ältere Mitarbeiter wertschätze und achte. „Dafür benötigt es ein altersfreundliches Organisations- und Führungsklima.“ Zentral sei auch, Arbeitszeiten und -orte zu flexibilisieren, wo das möglich sei. Es müsse ebenfalls darauf geachtet werden, „dass der Arbeitsplatz für Menschen passt, die weniger körperliche Kraft haben“, erläuterte der Fachmann.
Führungskräften riet er, ein bis zwei Jahre vor dem Ruhestand das Gespräch mit den ausscheidenden Mitarbeitern über Pläne für die Zeit nach dem Renteneintritt zu suchen. Es gebe fast immer einige Arbeitnehmer, die dem Betrieb erhalten bleiben möchten, erläuterte Deller. Die wenigsten wollten jedoch Vollzeit weiterarbeiten, sondern eher ein bis zwei Tage die Woche. Andere wollten nur noch einzelne Projekte machen. Führungskräfte sollten diese Chance der Klärung auf jeden Fall nutzen.
Der Forscher geht davon aus, dass die Zahl der älteren Arbeitnehmer weiter steigen wird: „Durch den Renteneintritt der Babyboomer wird sich dieser Trend in den kommenden Jahren noch verstärken. Menschen mit hohem Bildungsstand wollen weiterhin gefordert werden, und Unternehmen haben weiterhin Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern“, prognostizierte Deller. Es profitierten also beide Seiten.