Berlin (epd). Die „Zentralwohlfahrtsstelle der Juden“ (ZWST) warnt davor, ukrainische Kriegsflüchtlinge in eine geringfügige Beschäftigung zu vermitteln. „Viele Ukrainer, die zu uns gekommen sind, sind Akademiker und könnten hier auch in ihren Berufen arbeiten, vorausgesetzt ihre Abschlüsse würden anerkannt“, sagte der Leiter des Berliner Büros der ZWST, Günter Jek, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Anerkennung eines Abschlusses dauere in Deutschland jedoch zwei bis fünf Jahre.
Denjenigen, die heute in unqualifizierte Jobs gedrängt würden, nur damit sie arbeiteten, drohe später Altersarmut, warnte Jek. Eine vergleichbare Entwicklung gebe es bei den Geflüchteten aus der ehemaligen Sowjetunion, die in den 80er und 90er Jahren nach Deutschland gekommen seien. Damals wurden 78 Prozent der Abschlüsse der UdSSR-Flüchtlinge nicht anerkannt. Nur 14 Prozent von ihnen ist laut Jek die Erwerbstätigkeit im ursprünglichen Beruf gelungen. 45 Prozent der jüdisch-deutschen Community hat laut der ZWST Wurzeln in der Ukraine.
Jek beklagte den großen bürokratischen Aufwand, den Geflüchtete für die Anerkennung ihrer beruflichen Abschlüsse betreiben müssen. „Die meisten Flüchtlinge kommen nicht mit einer dreifach beglaubigten Kopie ihrer Abschlüsse, sondern mit einem USB-Stick“, sagte er. Ukrainische Geflüchtete könnten seiner Meinung nach helfen, den Fachkräftemangel in Deutschland zu beheben. „Anstatt dass wir diesen Fachkräften eine Autobahn bauen, stellt unsere Bürokratie ein Tempo-30-Schild auf“, sagte Jek.
Zudem fehle es an Plätzen für die Kinderbetreuung. Von den 1,1 Millionen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine seien 80 Prozent Frauen, die ebenfalls mehrheitlich einen Hochschulabschluss hätten. 77 Prozent seien derzeit alleinerziehend und betreuten minderjährige Kinder. „Aktuell haben wir 400.000 alleinerziehende geflüchtete Frauen aus der Ukraine. Es fehlen Kinderbetreuungsplätze, damit die Frauen zum Sprachunterricht und Arbeiten gehen können“, sagte Jek. Wenn Frauen Jobangebote der Arbeitsagenturen unterhalb ihres Qualifikationsniveaus ablehnen, kann ihnen eine Leistungskürzung drohen.
Jek sagte, abgesehen von Hass und Hetze werde ein großer Teil der ukrainischen Kriegsflüchtlinge wegen dieser Hindernisse bei der Integration nicht dauerhaft in Deutschland bleiben.