Mehr antimuslimische Vorfälle

Mehr antimuslimische Vorfälle
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel werden mehr Fälle von antimuslimischem Rassismus in Deutschland registriert. Dabei geht es um Diskriminierungen, Beleidigungen und tätliche Angriffe. Experten fordern Sensibilisierung und Aufklärung.

Berlin (epd). Die Claim Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit verzeichnet einen starken Anstieg bei Fällen von antimuslimischem Rassismus in Deutschland. Im vergangenen Jahr habe es knapp 1.926 registrierte Fälle gegeben, teilte das Netzwerk muslimischer und nicht-muslimischer Initiativen am Montag bei der Vorstellung seines Lageberichts in Berlin mit. Das seien fünf Fälle pro Tag und damit ein Anstieg um mehr als 110 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Darunter seien vier versuchte Tötungen sowie knapp 90 Angriffe auf religiöse Einrichtungen wie Moscheen und Friedhöfe.

Claim-Leiterin Rima Hanano sagte, die Vorfälle zeigten, dass antimuslimischer Rassismus sich durch alle Lebensbereiche ziehe. Er sei „salonfähiger denn je“ und komme „aus der Mitte der Gesellschaft“. Insbesondere nach dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel sei die Zahl antimuslimische Vorfälle sprunghaft angestiegen.

Die Bedrohungslage werde immer wieder geleugnet, kritisierte Hanano. Sie forderte eine Sensibilisierung und Aufklärung zu antimuslimischem Rassismus in allen gesellschaftlichen Bereichen, besonders in Bildungseinrichtungen und bei der Polizei. Zudem seien eine bessere Erfassung der Fälle und mehr Unterstützung für die Opfer nötig.

Besonders alarmierend sei, dass erwachsene Täterinnen und Täter wiederholt Frauen und Kinder auch körperlich attackierten, hieß es. Angriffe auf Frauen hätten sich sowohl im Bildungsbereich als auch im öffentlichen Raum ereignet. Insgesamt sei von einer „gravierenden Dunkelziffer“ auszugehen.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) erklärte zur Vorstellung des Lageberichts, um Rassismus einzudämmen, sei „Präventionsarbeit von klein auf - also insbesondere bei Kindern und Jugendlichen - unerlässlich“. Für erfolgreiche Präventionsarbeit sei eine gute Datenbasis über das Ausmaß des Phänomens wichtig.

Die Bundesintegrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan (SPD) erklärte, antimuslimische Vorfälle geschähen nicht im luftleeren Raum. Ihnen gingen antimuslimische Diskurse und Narrative voraus, die ein Klima der Ausgrenzung erzeugten und Gewalt und Hetze begünstigten, beklagte sie: „Antimuslimischer Rassismus ist schlimmer Alltag für viel zu viele Menschen in unserem Land“.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, bezeichnete den rapiden Anstieg muslimfeindlicher Attacken in Deutschland als in höchstem Maße besorgniserregend. Angriffe auf religiöse Einrichtungen und Rassismus an Schulen verdeutlichen aus Sicht des Gewerkschafters die Notwendigkeit, das Dunkelfeld schnellstmöglich zu erhellen.

Das Lagebild wurde auf der Grundlage von Zahlen von 17 Melde- und Beratungsstellen, Angaben aus dem Meldeportal „I-Report“, bundesweiten Fallzahlen aus der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität und Polizeimeldungen erstellt. Antimuslimische Vorfälle im Internet wurden den Angaben zufolge dabei nicht erfasst.

Die Claim Allianz ist nach eigenen Angaben ein Netzwerk von 50 muslimischen und nicht-muslimischen Akteuren der Zivilgesellschaft und wird vom Bundesfamilienministerium gefördert.