Bensheim (epd). Wissenschaftler haben vor einer Zerstörung des jahrtausendealten armenischen Kulturerbes in der einstigen autonomen Republik Bergkarabach gewarnt. Eine erste armenische Kirche in Schuschi sei seit dem Frühjahr bereits nicht mehr auf Satellitenbildern zu sehen, was auf deren Zerstörung hindeute, erklärte die Leiterin des Konfessionskundlichen Institutes des Evangelischen Bundes im südhessischen Bensheim, Dagmar Heller, am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Über die Zerstörung war bereits in anderen Medien berichtet worden.
Zu Beginn des Jahres 2024 waren alle staatlichen Institutionen der international nicht-anerkannten Autonomen Republik Berg-Karabach aufgelöst worden. Nach der Kapitulation infolge der militärischen Auseinandersetzung mit Aserbaidschan in 2023 haben den Angaben zufolge mehr als 100.000 Armenier und Armenierinnen das Land verlassen. Zurückgeblieben sind auch zahlreiche Kulturdenkmäler.
Auch eine freie wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema sei bedroht, fügte Heller hinzu. So konnte eine Buchpräsentation zum Kulturerbe von Bergkarabach im März dieses Jahres nach massiven Einschüchterungsversuchen nicht wie geplant stattfinden. Es sei inakzeptabel, wenn Vertreter Aserbaidschans derartigen Einfluss auf eine wissenschaftliche Veranstaltung nehmen können, hatte die Orthodoxie-Expertin Heller damals betont. Die Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung war wegen Sicherheitsbedenken danach ins Internet verlegt worden.
Die Befürchtung, dass vor allem architektonische Zeugnisse des armenischen Erbes durch die Machtübernahme Aserbaidschans in Bergkarabach bedroht sind, würden durch das Beispiel Nachitschewans bestätigt. In der Exklave Aserbaidschans, die ähnlich wie Bergkarabach ursprünglich eine starke armenische Bevölkerung hatte, seien systematisch die meisten Zeugnisse armenischer Population vernichtet worden.
Dies hätten Untersuchungen von „Caucasus Heritage Watch“ aus den USA gezeigt, einem Forschungsprogramm im Bereich der Kulturerbe-Forensik, das von Archäologen der US-Universitäten Cornell und Purdue geleitet wird. Diese nutzen Satellitenbilder und Open-Source-Medien, um gefährdete und beschädigte Kulturgüter zu überwachen und zu dokumentieren.