Berlin, São Paulo (epd). Ultrakonservative Abgeordnete wollen in Brasilien das Abtreibungsrecht verschärfen und Schwangerschaftsabbrüche in bestimmten Fällen als Mord ahnden. Für eine Abtreibung nach der 22. Woche sieht ein am Donnerstag (Ortszeit) im Abgeordnetenhaus eingebrachter Gesetzentwurf Haftstrafen von sechs bis 20 Jahren vor - auch im Fall einer Vergewaltigung. Damit würden Vergewaltigungsopfer eine höhere Strafe als ihre Vergewaltiger bekommen, wie die Tageszeitung „Folha de São Paulo“ berichtete. Präsident Luis Inácio Lula da Silva und die Regierungsparteien haben im Abgeordnetenhaus keine Mehrheit.
Mehr als zehntausend Menschen protestierten in Städten wie São Paulo und Rio de Janeiro gegen den Gesetzesvorstoß. Sie verlangten, dass es mindestens Ausnahmen für Vergewaltigungsopfer geben müsse. Frauenministerin Cida Gonçalves verwies darauf, dass in Brasilien jeden Tag 38 Mädchen unter 14 Jahren ein Kind zur Welt brächten. Das bedeute, dass sie alle Opfer einer Vergewaltigung geworden seien.
Nach offiziellen Statistiken ist die Mehrheit (rund 64 Prozent) der Vergewaltigungsopfer jünger als 14 Jahre. Frauenrechtsorganisationen betonen, dass die Mädchen ihre Schwangerschaft meist viel zu spät bemerkten, oft erst bei der Geburt.
In Brasilien sind Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich verboten. Ausnahmen gibt es, wenn die Mutter vergewaltigt wurde, wenn der Fötus eine schwere Fehlbildung hat oder das Leben der Mutter in Gefahr ist. Pro Jahr werden in Brasilien rund 2.000 legale Abtreibungen vorgenommen, denen vorher ein Gericht zustimmen muss. Geschätzt mehr als eine Million Mädchen und Frauen lassen illegal ihre Schwangerschaft unter oft mangelhaften hygienischen Bedingungen beenden.